Hype um Asthmaspray als COVID-19-Mittel könnte zu Versorgungsengpässen führen

Berlin – Die kürzlich veröffentlichte STOIC-Studie zum Einsatz von Budesonid bei COVID-19 ist Experten zufolge nicht aussagekräftig genug, um ein breite Anwendung zu empfehlen. Auswirkungen hat die Untersuchung aber dennoch bereits.
In Österreich sei es aufgrund einer vermehrten Off-Label-Verschreibung des Asthmasprays zwischenzeitlich sogar zu Versorgungsengpässen gekommen, berichtete Marco Idzko, der an der Universitätsklinik für Innere Medizin II in Wien die klinische Abteilung Pulmologie leitet, heute bei einer Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP).
„In Deutschland gibt es noch keine Hinweise auf eine entsprechende Verknappung“, sagte DGP-Präsident Michael Pfeifer. Damit das auch so bleibt, appellierte der Chefarzt der Klinik für Pneumologie und Intensivmedizin am Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg, „Budesonid nicht zu hamstern“, da es dringend für die Versorgung von Asthmapatienten benötigt werde.
Studienergebnisse erfordern Bewertung
Dass Studien heute so schnell in die Öffentlichkeit gelangen und dort auch diskutiert werden, stellt Pfeifer zufolge eine neuartige Situation dar. Im Normalfall würden neue Studienergebnisse zu Therapien erst von den Experten auf Wirksamkeit, Sicherheit und Übertragbarkeit bewertet, bevor Empfehlungen für die Behandlung von Patienten herausgegeben würden.
Im Fall der STOIC-Studie ist denn auch passiert, was in Fachkreisen gefürchtet wird: In die Öffentlichkeit gedrungen ist vor allem das Ergebnis, dass Budesonid die Dauer der Symptome um einen Tag verkürzen und die Häufigkeit von Arztbesuchen reduzieren könne. Doch das lässt sich aus den Ergebnissen von Sanjay Ramakrishnan und Kollegen nicht wirklich ableiten.
„Die Studie ist leider vom Design her schlecht gemacht und höchstens hypothesengenerierend“, betonte Idzko. Als gravierende Mängel zählte er unter anderem das Fehlen von Verblindung und Placebo, die geringe Teilnehmerzahl mit fast 16 Prozent Asthmatikern, den subjektiven primären Endpunkt des ärztlichen Kontakts und die ungewöhnlich hohe ICS-Dosis auf, mit der die Probanden in der Budesonidgruppe behandelt wurden.
Die überraschende Beobachtung, dass Asthmapatienten nicht zu den Risikopersonen für einen schweren COVID-19-Verlauf zählten, war die Rationale für die Studie. Sie sollte klären, ob das Asthmamedikament Budesonid dafür verantwortlich sein könnte.
Das ICS supprimiere in den Atemwegen die Expression der Rezeptoren, die für die Aufnahme des Virus in die Zellen erforderlich seien, sagte Marek Lommatzsch, Oberarzt der Abteilung für Pneumologie an der Universitätsmedizin Rostock.
Die Überlegung sei gewesen, dass ICS die Atemwege möglicherweise resistenter gegen das Virus machten. Doch eine Rationale für die in der Studie gewählte ICS-Dosis gebe es nicht, nur etwa zehn bis 15 Prozent der Patienten mit Asthma würden eine derart hohe Dosis erhalten.
Um die Frage zu klären, ob Budesonid tatsächlich einen Stellenwert in der COVID-19-Therapie haben könnte, sei nun eine große, placebokontrollierte, verblindete Studie mit unterschiedlichen Dosierungen erforderlich“, betonte Idzko. Diese sei auch bereits in Planung.
Er appellierte noch einmal an Ärzte und Ärztinnen, bei COVID-19-Erkrankungen keine ICS zu verschreiben. Die STOIC-Studie dürfe in keinem Fall dazu führen, dass ICS nicht mehr in ausreichenden Mengen für Menschen mit Asthma oder COPD zur Verfügung stünden.
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