COVID-19-Therapie: Überarbeitete Leitlinie empfiehlt neue Medikamente bei schweren Verläufen

Berlin – Die S3-Leitlinie zur stationären Therapie von COVID-19-Patienten ist von den beteiligten Fachgesellschaften überarbeitet worden. Sie enthält nun erstmals eine Empfehlung zum möglichen Einsatz des Wirkstoffs Tocilizumab, der die Sterblichkeit von schwer kranken COVID-19-Patienten reduzieren kann.
Neu ist außerdem die Option, bei SARS-CoV-2-infizierten Personen, die in einem noch frühen Stadium der Infektion befinden, monoklonale Antikörper einzusetzen. Für die Behandlung von schwer an COVID-19 erkrankten Personen empfahl die Leitlinie bislang das Glukokortikoid Dexamethason. Ab sofort kann auch der Einsatz von Tocilizumab erwogen werden.
Ebenso wie für Dexamethason wurde auch für den aus der rheumatologie stammenden Antikörper eine Sterblichkeitsreduktion mit moderater Sicherheit nachgewiesen
Der Leitlinie zufolge lässt sich ein Nutzen von Tocilizumab „vor allem für sauerstoffpflichtige Patienten ableiten, jedoch nicht für Patienten mit bereits eingeleiteter invasiver Beatmung“. Empfehlenswert sei der Antikörper aber nur, wenn Hinweise für eine systemische Inflammation vorlägen. Die Gabe erfolgt immer in Kombination mit Kortikosteroiden als intravenöse Einmalgabe.
Für die Behandlung schwer erkrankter COVID-19-Patienten ist die neue Empfehlung von großer Bedeutung: „Jedes weitere Medikament, das wir zur Behandlung schwerer COVID-19-Verläufe einsetzen können, ist hilfreich. Noch immer ist die Sterblichkeit von auf der Intensivstation beatmeten Patienten hoch“, so Stefan Kluge, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) und Koordinator der Leitlinie.
Eine Kann-Empfehlung erhalten in der überarbeiteten S3-Leitlinie monoklonale Antikörper für die Behandlung hospitalisierter, aber noch symptomloser oder symptomarmer Patienten, mit mindestens einem Risikofaktor für einen schweren Verlauf. Dabei handele es sich beispielsweise um Patienten, die wegen einer anderen Erkrankung stationär behandelt würden und sich in der Klinik mit SARS-CoV-2 infiziert hätten.
Antikörper bei nosokomialen Infektionen einsetzbar
„In einem frühen Stadium der Infektion – wenn noch keine COVID-19-typischen schweren Symptome, wie insbesondere die Atemnot aufgetreten sind – kann bei diesen Patienten eine Therapie mit spezifischen monoklonalen SARS-CoV-2 neutralisierenden Antikörpern diskutiert werden“, sagte Christoph Spinner, Vertreter der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie (DGI), der ebenfalls an der Aktualisierung mitgearbeitet hat.
Die Antikörper können aus Sicht der Mehrzahl der Leitlinienautoren sinnvoll eingesetzt werden, wenn das positive PCR-Test-Ergebnis nicht länger als drei Tage her ist und/oder der Symptombeginn nicht länger als sieben Tage zurückliegt. Laufende Phase-II-Studien weisen auf eine signifikante Reduktion der Viruslast hin – die Antikörper könnten damit helfen, das Risiko für schwere Verläufe zu mindern.
Wichtig sei, so die Leitlinie, bei Risikopatienten wie beispielsweise Immunsupprimierten oder Dialysepatienten die Gabe so früh wie irgend möglich durchzuführen, am besten am ersten oder zweiten Tag nach Infektion.
„Wir erwarten insbesondere in den Risikopopulationen eine Senkung der Sterblichkeit durch die Antikörper, auch wenn die Publikation der endgültigen Daten noch ausstehend ist“, sagte Christian Karagiannidis, Präsident der DGIIN.
Neu in der überarbeiteten Version der S3-Leitlinie ist auch eine Empfehlung zur palliativmedizinischen Behandlung: Sie definiert, welche palliative medikamentöse Behandlung Patienten mit schweren COVID-19-Verläufen zur Symptombehandlung bei Luftnot, Angst, Rasselatmung oder einem Delir erhalten sollen.
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