Hyperimmunes intravenöses Immunglobulin ohne Nutzen für hospitalisierte COVID-19-Patienten

Canberra – Hospitalisierte COVID-19-Patienten ziehen offenbar keinen Nutzen aus hyperimmunem intravenösem Immunglobulin (hIVIG) gegen SARS-CoV-2, wenn dieses zusätzlich zu Remdesivir und Standardtherapie zum Einsatz kommt, wie eine randomisiert-kontrollierte Phase-3-Studie im Lancet zeigt (2022; DOI: 10.1016/S0140-6736(22)00101-5).
Eine passive Immuntherapie, die hIVIG von genesenen Donoren verwendet, könnte eine rasch verfügbare und spezifische Therapie für Infektionsausbrüche wie SARS-CoV-2 sein, schreiben die Autoren um Mark N. Polizzotto vom Clinical Hub for Interventional Research an der Australian National University in Canberra.
Sie untersuchten, ob hIVIG gegen SARS-CoV-2 das Risiko des Fortschreitens der Erkrankung verringern kann, wenn es zur Standardbehandlung mit Remdesivir bei hospitalisierten erwachsenen Patienten hinzugefügt wird.
Kein besseres Outcome mit hIVIG
Das Ergebnis erwies sich allerdings als enttäuschend: Nach 7 Tagen sei es den COVID-19-Patienten in der hIVIG-Gruppe nicht besser ergangen als in der Placebogruppe, so die Autoren.
In die verblindete Studie waren von Oktober 2020 bis Februar 2021 in 11 Ländern insgesamt 593 Patienten eingeschlossen worden. Von ihnen hatten 301 hIVIG und 292 Kochsalzlösung als Placebo erhalten, dies jeweils zusätzlich zu Remdesivir und der üblichen Standardtherapie. Die Nachbeobachtung war über 28 Tage gelaufen.
Der primäre Endpunkt wurde an Tag 7 gemessen, er bestand aus 7 Kategorien, die unter anderem den Lungenstatus und extrapulmonale Komplikationen berücksichtigten. Die Kategorien reichten von keinen einschränkenden Symptomen bis hin zum Tod.
In die modifizierte Intention-to-treat-Analyse flossen die Daten von 579 Patienten ein. Die Odds Ratio für einen günstigeren Verlauf in der hIVIG-Gruppe verglichen mit der Placebogruppe betrug 1,06 (95-%-KI 0,77–1,45; p=0,72).
Infusionen sind gut verträglich
Immerhin, Polizzotto und seine Kollegen schreiben, dass die Infusionen im Allgemeinen gut vertragen wurden. Allerdings waren Infusionsreaktionen in der hIVIG-Gruppe häufiger: Betroffen waren 18,6 % der hIVIG-Patienten und 9,5 % der Placebopatienten (p=0,002).
Der aus Tod und Komplikationen wie Organversagen und schweren Infektionen umfassende Sicherheitsendpunkt war an Tag 7 in beiden Gruppen vergleichbar. Unter hIVIG wurde er von 24 % der Patienten erreicht, unter Placebo von 25 % (p=0,91).
Die Autoren führten Subgruppenanalysen durch, die die Wirksamkeits- und Sicherheitsendpunkte nach der Symptomdauer, dem Vorhandensein von neutralisierenden Antikörpern gegen das Spikeprotein von SARS-CoV-2 und anderen Faktoren aufsplitteten.
Mehr Nebenwirkungen bei Vorhandensein von Antikörpern
Beim primären Endpunkt ließen sich keine Unterschiede zwischen den Subgruppen feststellen. Doch beim Sicherheitsendpunkt gab es Diskrepanzen: Das Risiko, den Sicherheitsendpunkt zu erreichen, war nämlich bei Patienten, die Antikörper-positiv waren, größer (OR 2,21). Für Patienten ohne Antikörper betrug die OR dagegen 0,51 (p für Interaktion = 0,001).
Polizzotto und seine Co-Autoren schlussfolgern, dass ihre Studie – anders als andere Studien zu monoklonalen Antikörpern – keinen Nutzen neutralisierender Antikörper gegen SARS-CoV-2 gezeigt habe. Allerdings deuteten die Ergebnisse darauf hin, dass die Sicherheit von hIVIG und potenziell auch anderer passiver Immuntherapien vom Antikörperstatus der Patienten abhänge.
Möglicherweise wirksamer früh im Krankheitsverlauf
Trotz der nicht vorhandenen Wirksamkeit bei hospitalisierten Patienten, könnte hIVIG den Autoren zufolge möglicherweise in früheren Krankheitsstadien eine Rolle spielen. In der Studie hatten die Patienten im Schnitt seit 12 Tagen Symptome gehabt.
„Wie auch bei anderen passiven Immuntherapien ist es möglich, dass eine sehr früh behandelte Patientenpopulation einen Nutzen aus der Therapie ziehen könnte“, so Polizzotto und seine Co-Autoren. „Gelten könnte dies auch für Patientengruppen, die keine eigene humorale Immunantwort aufbauen.“
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