Hypertonie: Erfolgreicher Wiederbelebungsversuch der renalen Denervierung

Homburg/Saar – Vor drei Jahren hatte die renale Denervierung in der Symplicity HTN-3-Studie die Erwartungen der Experten enttäuscht. Nach Korrektur des Studiendesigns konnte die bereits totgesagte Technik zur Behandlung einer refraktären Hypertonie mit einem neuen Katheter den Blutdruck nun doch zuverlässig senken. Dies zeigen die auf dem Europäischen Kardiologiekongress in Barcelona vorgestellten und im Lancet (2017; doi: 10.1016/S0140-6736(17)32281-X) publizierten Zwischenergebnisse.
Die renale Denervierung könnte vorbehaltlich einer Bestätigung durch weitere Studien zu einer Option für Patienten werden, heißt es in einer Stellungnahme der Deutschen Hochdruckliga e.V. (DHL). Dies wäre vor allem für die Patienten interessant, die trotz der Einnahme mehrerer Medikamente gefährlich hohe Blutdruckwerte haben.
Die renale Denervierung ist der Versuch, den Blutdruck durch eine Zerstörung der sympathischen Nervenfasern in den Nierenarterien zu senken. Hinter der Behandlung steht die Idee, dass die Nieren unter einer erhöhten Aktivität des Sympathikus vermehrt die blutdruckerhöhenden Hormone Renin und Noradrenalin freisetzen. Die Behandlung erfolgt über einen Katheter, dessen Spitze über die Oberfläche der Nierenarterie streift und dabei durch eine Erwärmung die Nervenfasern dauerhaft schädigt (Ablation).
Symplicity HTN-3 konnte Blutdruck nicht senken
Die Behandlung, die maßgeblich von Michael Böhm von der Universität in Homburg/Saar entwickelt wurde, hatte nach günstigen Ergebnissen in Pilotstudien in einer ersten größeren randomisierten Studie (Symplicity HTN-3) überraschenderweise den Blutdruck nicht deutlicher gesenkt als eine Scheinbehandlung.
Die Ergebnisse waren ein schwerer Rückschlag für den Behandlungsansatz, zumal sie verhinderten, dass die Behandlung von der US-Arzneibehörde FDA zugelassen wurde. Die von der Wirksamkeit überzeugten Kardiologen und ein Hersteller gaben jedoch nicht auf und organisierten eine weitere Studie, die die Fehler von Symplicity HTN-3 vermeiden sollte.
SPYRAL HTN-OFF MED mit korrigiertem Studiendesign
Das Design der Studie wurde verändert. An der Symplicity HTN-3-Studie hatten Patienten teilgenommen, die unter median 5,1 Wirkstoffen keine befriedigende Blutdrucksenkung erzielt hatten und die die Medikamente nach der Behandlung weiter einnahmen. An der SPYRAL HTN-OFF MED-Studie nahmen dagegen nur Hypertoniker teil, die entweder noch nie Blutdruckmedikamente eingenommen hatten oder spätestens vier Wochen vor Studienbeginn die Medikamenteneinnahme eingestellt hatten. Die Patienten durften die Medikamente auch nach der Behandlung nicht einnehmen, was durch Blutuntersuchungen überprüft wurde.
Vor Studienbeginn mussten die aktuell unbehandelten Patienten einen Blutdruck von systolisch 150 bis 180 mmHg systolisch und diastolisch mehr als 90 mmHg haben. In der 24-Stunden-Messung musste der systolische Wert im Bereich von 140 bis 170 mmHg liegen. Anders als in der Symplicity HTN-3 waren Patienten mit isolierter systolischer Hypertonie von der Teilnahme ausgeschlossen. Bei diesen Patienten hatte die renale Denervierung in der Symplicity HTN-3-Studie die schlechteste Wirkung erzielt. Die neue Studie war darauf zugeschnitten, möglichst nur Patienten zu behandeln, bei denen am ehesten eine Wirkung zu erwarten war.
An der Studie beteiligten sich zudem nur Ärzte, die über ausreichende Erfahrungen in der Katheterbehandlung verfügten. Ein Kritikpunkt der Symplicity HTN-3-Studie war gewesen, dass viele Kardiologen das Verfahren nicht beherrschten und deshalb fehlerhaft durchführten. In der neuen Studie wurde auch eine verbesserte Version des Katheters verwendet. Er ermöglichte eine ausgedehntere Ablation der Nervenfasern. Die Behandlung wurde zudem auf Abzweigungen der Nierenarterien ausgedehnt.
Echte renale Denervierung senkt Blutdruck deutlich
Die jetzt von Böhm in Barcelona vorgestellten 3-Monatsergebnisse der ersten 80 Patienten bescheinigen der renalen Denervierung eine insgesamt günstige Wirkung. Bei den 38 Patienten, bei denen eine echte renale Denervierung durchgeführt wurde, kam es zu einem Rückgang des Blutdrucks um durchschnittlich 10/5,3 mmHg. Unter der Scheinbehandlung, bei der der Katheter nicht aktiviert wurde, ging der Blutdruck um 2,3/0,3 mmHg zurück. In der ambulanten 24-Stunden-Messung wurde nach der renalen Denervierung ein Rückgang um 5,5/4,8 mmHg beobachtet gegenüber einem Rückgang um 0,5/0,4 mmHg nach der Scheinbehandlung.
Die Unterschiede zwischen den beiden Gruppen waren sowohl in der Einzelmessung in der Praxis als auch bei der 24-Stunden-Messung statistisch signifikant. Böhm betrachtet die Ergebnisse deshalb als einen Erfolg. Er hofft auf einen günstigen Ausgang der Studie, an der insgesamt 353 Patienten in 24 Zentren teilnehmen werden.
Neues Einsatzgebiet
Für einen allgemeinen Einsatz ist es nach Einschätzung der Task Force der DHL noch zu früh. „Die Studie war mit 80 Patienten relativ klein, und wir wissen nicht, ob die Renale Denervation den Blutdruck auch unter einer fortgesetzten medikamentösen Behandlung senkt“, sagt Peter Trenkwalder, Stellvertretender DHL-Vorstandsvorsitzender und Chefarzt der Medizinischen Klinik am Klinikum Starnberg: „Wir raten deshalb, zunächst die Ergebnisse weiterer klinischer Studien mit größerer Patientenzahl und längerer Nachbeobachtungszeit abzuwarten.“
Sollten sich die Ergebnisse weiter bestätigen, dann könnte der Hersteller auf eine Zulassung der Behandlung in den USA hoffen (in Deutschland ist lediglich eine CE-Kennzeichnung der technischen Unbedenklichkeit erforderlich). Das Einsatzgebiet würde sich allerdings gegenüber der Symplicity HTN-3-Studie ändern. War die Behandlung zunächst für Patienten gedacht, die unter mehreren Wirkstoffen keine ausreichende Blutdrucksenkung erreichten, würde die Behandlung in Zukunft eher zu einer Alternative für die Medikamenteneinnahme werden.
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