Impfungen: Mehr Informationen und niedrigschwellige Angebote sind nötig
Berlin – Mehr Öffentlichkeitsarbeit und niedrigschwellige Impfangebote sind fraglose Strategien, um die Impfraten in Deutschland zu erhöhen. Das ging aus einer Anhörung des Deutschen Ethikrates gestern in Berlin hervor. Hintergrund ist, dass der Rat im Augenblick eine Stellungnahme zum Thema „Impfen als Pflicht?“ erarbeitet.
Peter Dabrock, der Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, betonte in seiner Begrüßung, dass es nicht darum gehe, den generellen Sinn oder die Effektivität des Impfens anzuzweifeln. Vielmehr stelle sich die Frage, ob es eine Impfpflicht geben sollte. Dies sei besonders relevant, „weil sie im freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat hohe Rechtsgüter tangiert: das Persönlichkeitsrecht, das Recht auf die Integrität von Leib und Leben, aber auch die Erwartung an den Staat, Leib und Leben gegen unnötige und effektiv beherrschbare Gefahren zu schützen“, so Dabrock.
Claude Muller von der Infectious Diseases Research Unit des Luxembourg Institute of Health berichtete bei der Anhörung über internationale Strategien der Impfprävention. Die aktuellen Masernausbrüche machten deutlich, dass größere Anstrengungen in der Öffentlichkeitsarbeit nötig seien, so Muller. Zudem sollte man niedrigschwellige Zugänge zu Impfungen ermöglichen. Muller sieht vor allem Ärzte und das Pflegepersonal in der Verantwortung, Patienten aufzuklären. Eine Impfpflicht sei vorwiegend für Beschäftigte im Gesundheitswesen zu erwägen, sagte er.
Ole Wichmann, Leiter des Fachgebiets Impfprävention am Robert-Koch-Institut, schlug vor, dass Krankenkassen ihre Mitglieder regelmäßig zum Impfen einladen und nicht nur Kinder- und Hausärzte, sondern auch Fachärzte anderer Disziplinen Impfungen durchführen sollten. Auch das Impfen in Schulen oder im Betrieb könne zur Steigerung der Impfquoten beitragen. Überlegenswert sei zudem, für bestimmte Krankheiten auch in Deutschland eine Impfpflicht einzuführen, wie sie in anderen europäischen Ländern bereits etabliert ist, sagte er.
Die Politikwissenschaftlerin Katharina Paul von der Universität Wien betonte jedoch, um Vertrauen in der Bevölkerung aufzubauen, sei eine Impfpflicht schädlich. Sie plädierte stattdessen für mehr Informationen und empfahl, die Öffentlichkeit aktiv und gezielt in die Impfpolitik einzubeziehen.
„Wir brauchen erstens ein Impfregister als Forschungsressource und als Möglichkeit zur gezielten Kommunikation, zweitens Zurückhaltung gegen pauschale Zwangsmaßnahmen in die Allgemeinbevölkerung hinein und drittens eine Fokussierung der Maßnahmen auf die Verantwortungsträger, insbesondere die Ärzteschaft“, fasste Wolfram Henn, Leiter der Arbeitsgruppe „Impfen als Pflicht?“ des Ethikrates die Diskussionsergebnisse zusammen.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: