Indische Krankenhäuser senden Hilferufe wegen fehlenden Sauerstoffs

Mumbai – Angesichts der hohen Zahl von Coronapatienten haben indische Krankenhäuser heute Hilferufe wegen fehlenden Sauerstoffs zur künstlichen Beatmung gesendet. „SOS – weniger als eine Stunde Sauerstoffvorräte übrig im Max Smart Hospital und Max Hospital Saket“, schrieb eine der größten Ketten von Privatkrankenhäusern im Onlinedienst Twitter.
Man brauche sofortige Hilfe. Premierminister Narendra Modi sollte am selben Tag eine Reihe von Krisensitzungen abhalten. Die indischen Behörden meldeten weitere 330.000 SARS-CoV-2-Neuinfektionen binnen 24 Stunden und 2.000 weitere Todesfälle – im April wurden bislang bereits mehr als vier Millionen Neuinfektionen registriert.
Das ohnehin seit Jahrzehnten unterfinanzierte Gesundheitssystem ist von der hohen Zahl an Coronapatienten überfordert, es fehlt an Sauerstoff, Medikamenten und Betten. Vor wenigen Tagen starben 22 COVID-19-Patienten im Bundesstaat Maharashtra, als die Sauerstoffzufuhr ihrer Beatmungsgeräte wegen eines Lecks abbrach.
In Neu Delhi ging in der Nacht zu heute in mindestens sechs Krankenhäusern der Sauerstoff zur Neige, bevor am Morgen neue Lieferungen eintrafen. Die Fahrer von Sauerstofftankfahrzeugen machen Überstunden, um alle Kliniken zu versorgen. Auch Frachtflugzeuge zum Sauerstofftransport sind im Einsatz.
Für den zuletzt massiven Anstieg der Infektionszahlen werden eine doppelte Mutation des Coronavirus sowie religiöse, politische und sportliche Massenveranstaltungen verantwortlich gemacht. In der Hoffnung, in der Coronakrise sei das Schlimmste vorbei, hatten die indischen Behörden Anfang des Jahres die meisten Auflagen gelockert und Veranstaltungen von riesigen Hochzeitsfeiern über Cricketspiele bis zu religiösen Versammlungen wieder erlaubt.
Bei der Kumbh Mela, einer der größten religiösen Feiern der Welt, drängten sich zwischen Januar und dieser Woche geschätzt 25 Millionen Pilger dicht an dicht, die meisten ohne Maske. In vielen Bundesstaaten gab es zudem Wahlkampfveranstaltungen, darunter eine von Premierminister Modi in Kolkata mit geschätzt 800.000 Teilnehmern. Mehrere Bundesstaaten haben die Coronavorschriften inzwischen wieder verschärft.
In absoluten Zahlen hat Indien mit seinen 1,3 Milliarden Einwohnern mehr als 16 Millionen Infektionen erfasst. Das Land ist damit hinter den USA am Härtesten von der Pandemie betroffen.
Auch Virusmutationen dürften eine Rolle spielen. Die indische Variante B.1.617 steht bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) unter Beobachtung. Auch in Deutschland wurden bereits einige Infektionen mit dieser Variante registriert.
Wegen dramatisch steigender CoronaiInfektionszahlen stuft die Bundesregierung Indien ab Sonntag als Hochinzidenzgebiet ein. Mit der Einstufung Indiens als Hochinzidenzgebiet ist keine Verschärfung der Einreisebestimmungen verbunden. Die hätte es nur gegeben, wenn das Land mit den zweitmeisten Einwohnern weltweit zum Virusvariantengebiet erklärt worden wäre – was einige Beobachter erwartet hatten. Denn in Indien hat sich eine besonders gefährliche Virusvariente verbreitet.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: