Politik

Integrierte Versorgung: Gesundheitsweiser bewertet Neuregelungen

  • Freitag, 12. Dezember 2014

Berlin – Der stellvertretende Vorsitzende des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, Eberhard Wille, hat begrüßt, dass Kranken­kassen die Wirtschaftlichkeit von Verträgen zur „Integrierten Versorgung“ (IV) künftig erst nach vier Jahren nachweisen müssen. So sieht es der Kabinettsentwurf des Versorgungs­stärkungsgesetzes (VSG) vor.

„Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität war das größte Hindernis für die IV-Verträge“, sagte Wille gestern auf dem 11. Bundeskongress der Deutschen Gesellschaft für Integrierte Versorgung (DGIV) in Berlin. „Wenn Sie diesen Maßstab auch bei Inves­titionen in anderen Branchen anlegen würden, würden Sie auch dort niemanden finden, der investiert.“ Investitionen seien nun einmal an ein gewisses Risiko gebunden. Und auch im Gesundheitswesen müsse man riskieren, dass es sich einmal nicht rechnet.

Dass die Einhaltung der Wirtschaftlichkeit vier Jahre nach Vertragsbeginn nachgewiesen werden muss, hält Wille bei größeren Projekten für sinnvoll, allerdings nicht generell. „Es macht keinen Sinn, ein Projekt zu evaluieren, wenn die Evaluationskosten höher sind als die gesamten Projektkosten. Hier müsste man finanzielle Schranken einführen“, sagte der frühere Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim.

HzV: „Bereinigung zu Beginn des Projektes ist gut“
Die im Sozialgesetzbuch V enthaltenen Regelungen zu Selektivverträgen will der Gesetzgeber im VSG im neuen § 140a unter dem Namen „Besondere Versorgung“ zusammenfassen. „Die bisherigen Strukturverträge werden in der ‚Besonderen Versorgung‘ aufgehen, können inhaltlich aber weiter betrieben werden. Sie laufen lediglich unter einem anderen Namen“, erklärte Wille. Dies führe zu einer gewissen Konzentration, die auch erforderlich gewesen sei.

Mit dem VSG soll zudem in der hausarztzentrierten Versorgung „eine funktionierende Bereinigung eingeführt werden“, wie es Wille formulierte. Diese solle nun schon zu Beginn des Vertrages erfolgen. „Ohne eine solche Bereinigung würden die Kranken­kassen doppelt bezahlen“, so der Gesundheitsweise. „Wer als Kasse etwas Großes vorhat, ist auf eine Bereinigung angewiesen.“

Dass die Bereinigung schon zu Beginn eines Projektes greife, sei gut. Denn wenn eine Krankenkasse nicht bereinigen könne, laufe sie Gefahr, einen Zusatzbeitrag erheben zu müssen. In dem Moment nutze es ihr dann auch nichts, dass sie das Geld später wieder­be­komme, denn bis dahin könnten schon einige Versicherte die Kasse verlassen haben.

Wille: Man sollte die Krankenkassen nicht zu Hausarztverträgen zwingen
Wille wies darauf hin, dass eine Bereinigung bei progredient verlaufenden Krankheiten „ungeheuer schwierig“ sei. Er selbst habe bei Budgetbereinigung immer mit dem Betrag bereinigt, den der Patient im vergangenen Jahr gekostet habe. „Wenn eine Krankheit aber progredient verläuft, kommt ein Ärztenetz damit nicht aus“, sagte Wille. „Dann bräuchten wir eine progrediente Bereinigung, eine Bereinigung also mit einem Betrag, den der Patient in Zukunft kosten wird.“  

Grundsätzliche bemerkte Wille, dass „ich zwar ein Befürworter der hausarztzentrierten Versorgung bin, es aber nicht einzusehen ist, warum sie gegenüber anderen Vertrags­formen bevorzugt werden sollte“. Er sprach sich dafür aus, die Krankenkassen nicht zu zwingen, Hausarztverträge abzuschließen. Erfolgreich seien heute ohnehin die Verträge, die freiwillig abgeschlossen worden seien, zum Beispiel in Baden-Württemberg.

Als „Wermutstropfen“ bezeichnete Wille, dass die Aufsichtsbehörden dem VSG zufolge von den Krankenkassen künftig bei einer erheblichen Rechtsverletzung Zwangsgelder in Höhe von bis zu zehn Millionen Euro verlangen könnten. „Das könnte für die Kassen psychologisch einen großen Einfluss haben“, sagte er. „Ich würde das streichen.“

fos

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