Ärzteschaft

Intensiv- und Notfallmediziner: Stellungnahme zur Hirntoddefinition

  • Donnerstag, 31. Oktober 2013

Berlin ­– Organe dürfen nur transplantiert werden, wenn der Hirntod eines möglichen Organspenders eindeutig festgestellt wurde. Da jedoch viele Menschen eine falsche Vorstellung vom Hirntod hätten und verunsichert seien, hat sich die Deutsche Inter­disziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) entschlossen, das gesetzlich vorgeschriebene Prozedere zur Feststellung des Hirntodes genauer zu erläutern.

Unser Gehirn ist das übergeordnete Steuerorgan aller wichtigen Lebensvorgänge. Es besteht aus drei Pfund intelligentem Nervengewebe sowie rund 100 Milliarden grauer Zellen, die zu tausenden miteinander verschaltet sind. Wenn das Gehirn seine Funk­tionen vollständig verliert, gilt der Mensch als hirntot und damit gestorben. Nur in diesem Fall dürfen Ärzte die Organe entnehmen und transplantieren.

Für Laien sei es nicht immer leicht nachvollziehbar, dass ein Mensch dann als hirntot gelte, wenn das Gehirn seine Funktionen vollständig verliert, denn ein hirntoter Mensch unterscheide sich äußerlich nicht von einem Menschen, der nur bewusstlos sei. Eine Rückkehr ins Leben sei jedoch nicht mehr möglich.

„Ärzte verstehen unter dem Hirntod die irreversibel erloschene Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms“, erläutert Klaus Hahnenkamp von der Sektion Organtransplantation bei der DIVI. „Der Hirntod muss laut Paragraf 5 des Transplantationsgesetzes von zwei mehrjährig in der Intensivbehandlung von Patienten mit schweren Hirnschädigungen erfahrenen Ärzte unabhängig voneinander festgestellt werden.“ Beide Ärzte dürfen weder an der Entnahme noch der Transplantation der Organe beteiligt sein und auch keinem Arzt weisungsgebunden sein, der an der Transplantation beteiligt ist.

Die Bundesärztekammer habe den Ablauf zur Feststellung des Hirntods exakt festgelegt. Als erstes überprüften die Ärzte den sogenannten Hirnstammreflex. Sie müssten feststellen, ob sich bei Lichteinfall die Pupillen verengen und ob sich das Augenlid schließe, wenn man die Augenhornhaut berührt. Sie versuchten, den Husten- und Würgereflex auszulösen. Durch schnelles Kippen oder Drehen des Kopfes lasse sich nachweisen, ob die Augen eine Gegenbewegung durchführen.

Außerdem achteten sie auf Schmerzreaktionen, die sich durch Muskelzuckungen der Kopf- und Halsregion oder Kreislaufreaktionen äußern könnten. „Bei hirntoten Menschen zeigen sich bei allen Tests keinerlei Reaktionen“, klärt der DIVI-Experte auf, der als Leitender Oberarzt in der Klinik für Anästhesiologie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie am Universitätsklinikum Münster tätig ist.

Als nächstes folge die Überprüfung der Spontanatmung. Dafür müssten die Ärzte die maschinelle Beatmung ausstellen. Sofort steige dann der Kohlenstoffdioxidgehalt im Blut an und aktiviere das Atemzentrum im Gehirn. Reagiere dieses nicht mit Eigenatmung, liege ein kompletter Ausfall des Atemzentrums vor.

Der Ausfall dieser Hirnfunktionen müsse irreversibel sein. „Wenn das EEG über eine halbe Stunde eine Null-Linie zeigt oder kein Blutfluss zu erkennen ist, kann der Hirntod zweifelsfrei festgestellt werden“, sagt Hahnenkamp. „Weitere Untersuchungen wie die Perfusionsszintigrafie und die Angiografie können ersatzweise durchgeführt werden.“ Bei der Perfusionsszintigrafie injizieren die Ärzte eine schwach radioaktive Lösung und messen die Verteilung im Gehirn. Bei der Angiografie handelt es sich um eine Röntgenaufnahme der Gefäße.

Alle Untersuchungsergebnisse müssen von beiden Ärzten protokolliert werden. „Erst dann wird ein Patient, der auch Organspender ist, der Deutschen Stiftung für Organtransplantation gemeldet“, betont Hahnenkamp. Einschränkend ergänzt er noch, dass sich die genannten Abläufe auf die größte Gruppe der Organspender beziehen, den Erwachsenen mit primärer Hirnschädigung. Bei Sonderfällen wie Kindern, primären Schädigungen des Klein- und Stammhirns (so genannte hintere Schädelgrube), sekundären Schädigungen etc. gebe es Abweichungen im Prozedere.

Sollte der Patient sich gegen eine Organspende entschieden haben, werde nach Feststellung des Hirntodes seine Beatmung beendet und es trete der klinische Tod (Stillstand von Herz- und Kreislaufaktionen) ein.

Kli

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