Ärzteschaft

Intensivmediziner raten von intraossärer Lidocaingabe bei Kindernotfällen ab

  • Dienstag, 17. September 2024
/Felipe Caparrós, stock.adobe.com
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Berlin – Lidocain sollte in der Kindernotfallmedizin nicht mehr bei Anlage eines intraossären Zugangs angewen­det werden. Das empfiehlt eine fachübergreifende Arbeitsgruppe in einem neuen Positionspapier.

„Wir sollten unbedingt und sofort auf Lidocain in diesem Zusammenhang verzichten“, betonte Florian Hoffmann, Vizepräsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) sowie Leiter der Notfallmedizin am Dr. von Haunerschen Kinderspital München.

Bei einem lebensbedrohlichen Notfall ist bei Kindern die Anlage eines peripher-venösen Zugangs oft schwierig und führt häufig zu zeitkritischen Therapieverzögerungen.

Für diese Situationen wird seit über 20 Jahren in internationalen Reanimationsleitlinien der Einsatz eines intra­ossären Zugangs empfohlen, also eines Zugangs über den Markraum eines Knochens. Dafür stehen unter ande­rem halb-automatische Systeme mittels batteriebetriebener Bohrmaschine zur Verfügung, welche innerhalb kurzer Zeit einen Zugang ermöglichen.

Verschiedene Referenzen und Leitlinien haben in Abhängigkeit von der Dringlichkeit der Medikamentengabe bei nicht bewusstlosen Patienten die intraossäre Applikation eines Lokalanästhetikums – zum Beispiel Lidocain – empfohlen, um mögliche Schmerzen der intraossären Volumen- oder Medikamentengabe zu begrenzen.

Davon rät die Arbeitsgruppe nun dringend ab: In mehr als der Hälfte der Fälle werde ein intraossärer Zugang bei reanimationspflichtigen Patienten gelegt und bei diesen Fällen spiele die Schmerzhaftigkeit des Verfahrens keine Rolle, heißt es in dem Papier.

Bei den übrigen Patienten seien potenziell erwartbare Schmerzen gegenüber einer lebensrettenden Therapie nachrangig. Entsprechend liege keinerlei Indikation für den Einsatz des Medikaments vor – das Risiko sei „viel zu hoch“, so die Experten.

Sie empfehlen stattdessen in unmittelbar lebensbedrohlichen Fällen bei meist bewusstseinsgetrübten Kindern auf eine primäre Analgesie zu verzichten.

Für alle anderen Situationen sei eine Analgesie über einen alternativen Applikationsweg empfehlenswert, zum Beispiel intranasal. Liege weder ein unmittelbar lebensbedrohlicher Notfall noch die Möglichkeit einer zweizeitigen Therapiestrategie vor, sollten Notärztinnen und -ärzte kritisch prüfen, ob überhaupt eine Indikation zur intraossären Punktion bestehe, so die Autorengruppe.

Unter Federführung der DIVI haben sich die Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin, die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und das German Resuscitation Council an dem Positionspapier beteiligt.

hil

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