Ärzteschaft

Intensivmediziner über Coronalage: „Druck im Kessel immer noch hoch“

  • Mittwoch, 10. März 2021
/picture alliance, Universitätsklinikum Tübingen, Tobias Wuntke
/picture alliance, Universitätsklinikum Tübingen, Tobias Wuntke

Berlin – Trotz der im Vergleich zum Jahresbeginn gesunkenen Zahl an COVID-19-Intensivpatienten in Deutschland stehen die Zeichen laut einem Experten noch nicht auf Entspannung. „Der Druck im Kessel ist immer noch hoch“, sagte der wissenschaftliche Leiter des Intensivregisters der Deutschen Interdiszi­plinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), Christian Karagianni­dis, heute in einer Videoschalte.

Zuletzt sei die Gesamtzahl der Intensivpatienten mit COVID-19 bundes­weit nicht mehr weiter gesunken, diese Plateaubildung sei „kein gutes Zeichen“. Zusätzlich seien die Auslastung Intensivstationen weiter­hin auf einem „historischen Hoch", die Lage entspanne sich kaum.

Karagiannidis betonte, er befürchte einen Zusammenhang mit der wachsenden Verbreitung der anste­cken­deren Coronavariante B.1.1.7, die ersten Studien zufolge schwerere Verläufe verursacht. Diese in Großbritannien entdeckte Mutante gilt als ansteckender im Vergleich zu früheren Virusformen, seit Wochen werden wachsende Anteile in Deutschland festgestellt.

Die derzeitigen Zahlen von zwischen rund 2.700 und 2.800 COVID-19-Intensivpatienten bundesweit seien immer noch sehr hoch, betonte der Mediziner von der Lungenklinik Köln-Merheim. Die Zahl freier Intensivbetten sei trotz des Rückgangs um rund 3.000 Fälle seit Januar 2021 unverändert, etwa weil Operationen nachgeholt würden.

Von den bisherigen Coronaimpfungen bei Senioren und Pflegeheimbewohnern verspricht sich Karagian­nidis erst einmal keine unmittelbare Entlastung für die Intensivstationen: Schon in der ersten Welle sei lediglich etwa ein Viertel der Intensivpatienten über 80 Jahre alt gewesen, sagte er. Der Zeit­punkt, an dem man davon wegkommen könne, auf die Auslastung der Intensivbetten zu schauen, werde wahr­scheinlich erst im Mai oder Juni erreicht.

Neben Karagianni­dis plädierten auch Reinhard Busse von der TU Berlin sowie Andreas Schuppert von der RWTH Aachen dafür, dass Deutschland mehr Versorgungsdaten in der Pandemie sammeln müsse. Viele Daten stünden nicht zur Analyse der aktuellen Situation bereit, oftmals würde die Herausgabe von Daten aus Datenschutzgründen verhindert.

Derzeit stochere man im Nebel, oftmals müssten Daten aus anderen Ländern herangezogen werden, um Entscheidungen oder Entwicklungen abzuleiten. Busse forderte, dass die Datengewinnung sich auch nach der Pandemie deutlich verbessern müsse: „Wir müssen jetzt viel lernen, damit wir künftig besser werden.“

bee/dpa

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