IQWiG weist auf schwierige Datenlage bei Ausweitung der Darmkrebsfrüherkennung hin

Berlin – Zurzeit wird in Deutschland allen gesetzlich Versicherten ab 50 Jahren eine Darmkrebsfrüherkennung angeboten. Ob diese auch jüngeren Menschen mit familiärem Darmkrebsrisiko angeboten werden sollte, ist aus Sicht des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) aufgrund der spärlichen Datenlage schwierig zu beantworten.
Der G-BA hatte das IQWiG im November 2023 mit der Bewertung der Früherkennung von Darmkrebs bei Menschen mit familiärem Risiko beauftragt. Nach Abschluss des Stellungnahmeverfahrens wurde der Vorbericht überarbeitet und als Abschlussbericht im vergangenen November an den G-BA versandt.
Man sehe nach dem öffentlichen Stellungnahmeverfahren große Evidenzlücken, teilte das IQWiG gestern dazu mit. So lägen für unter 50-Jährige weder gezielte Screeningstudien noch Daten vor, aus denen sich Erkenntnisse zum Darmkrebsscreening in der Gesamtbevölkerung bei über 50-jährigen auf Jüngere übertragen und so indirekte Schlussfolgerungen ziehen ließen.
„Wir haben alle relevante Datenquellen weltweit vergeblich durchsucht, aber die Datenlücken sind gravierend“, so die Bilanz von Daniel Fleer, Bereichsleiter für Nutzenbewertungen von nicht medikamentösen Verfahren beim IQWiG. Die Daten sprächen weder für noch gegen die Übertragbarkeit.
Direkte Evidenz fehle aber, um die zentrale Frage zu beantworten, sagte er. Und es hätten sich kaum Hinweise für die Übertragbarkeit von Vorteilen des bisherigen Darmkrebsscreenings auf Menschen unter 50 mit familiärem Darmkrebsrisiko gezeigt.
„Krebs ist nicht gleich Krebs – deshalb darf man nicht so tun, als ob der Nutzen des familiären Darmkrebsscreenings klar sei“, sagte Stefan Sauerland, Leiter des Ressorts Nicht medikamentöse Verfahren beim IQWiG. Es sei keineswegs „‚logisch‘, dass auch jüngere Menschen mit familiär erhöhtem Risiko von Darmkrebsfrüherkennung profitieren“.
Sauerland wies darauf hin, dass es durchaus sein könne, dass eine Darmkrebsfrüherkennung dieser Personengruppe keine Vorteile bietet. Doch das lasse sich nur durch gute begleitende Studien untersuchen. Es sei daher mehr Forschung notwendig.
Zurzeit wird die organisierte Darmkrebsfrüherkennung in Deutschland ab einem Alter von 50 Jahren angeboten und nicht spezifisch für bestimmte Risikogruppen. Deshalb haben Menschen mit familiärem Darmkrebsrisiko unter 50 Jahren derzeit keinen Anspruch auf Teilnahme an der organisierten Darmkrebsfrüherkennung.
Bei Personen mit familiärem Darmkrebsrisiko ist mindestens ein Verwandter oder eine Verwandte 1. oder 2. Grades (Mutter, Bruder, Kusine, Tante, Großvater etc.) an Darmkrebs erkrankt, ohne dass eine konkrete genetische Ursache bekannt ist. Dann ist das Risiko, an Darmkrebs zu erkranken, nach Angaven des IQWIG doppelt bis vier Mal so hoch wie bei Personen ohne Darmkrebs in der Familie.
Falls die Darmkrebsfrüherkennung bei unter 50-Jährigen mit familiärem Darmkrebsrisiko trotz der spärlichen Evidenz in Deutschland breiter angewendet oder grundsätzlich eingeführt werden sollte, empfiehlt das IQWiG eine begleitende Forschung, zum Beispiel durch einen Vergleich mit der Situation in einem anderen Land, in dem kein solches Risikogruppenscreening etabliert sei.
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