Medizin

JC-Virus: Aktive und passive Immuntherapie könnten effektiv sein

  • Donnerstag, 24. September 2015
Uploaded: 24.09.2015 19:10:21 by mis
MRI-Hirnscan eines Patienten mit progressiver multifokaler Leukenzephalopathie /dpa

Bethesda/Zürich – Die progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML), die Folge einer opportunistischen Infektion mit dem JC-Virus ist und die derzeit den Einsatz von hochwirksamen Medikamenten bei der Multiplen Sklerose und anderen Autoimmun­erkrankungen einschränkt, könnte mit einem Impfstoff behandelt werden, den ein Forscherteam in Science Translational Medicine (2015; 7: 306ra150) vorstellt. Ein zweites Team arbeitet an der Entwicklung einer passiven Immuntherapie (Science Translational Medicine 2015; 7: 306ra151).

Etwa 60 Prozent der Bevölkerung haben Antikörper gegen das JC-Virus. Es befällt normalerweise nur die Harnwege, und bei Menschen mit intakter Immunabwehr kommt es niemals zu einer Erkrankung. Eine extreme Immunschwäche kann jedoch dazu führen, dass das Virus eine PML auslöst.

Die Erkrankung trat zu Beginn der HIV-Pandemie, als es noch keine wirksamen Medikamente gab, bei Aids-Patienten auf. Derzeit bereitet sie in der Behandlung der Multiplen Sklerose mit dem Wirkstoff Natalizumab Probleme. Das Mittel verhindert den Eintritt von Abwehrzellen in das Gehirn, das den Viren schutzlos ausgeliefert ist. Über 560 MS-Patienten weltweit haben bereits die Gehirninfektion PML entwickelt. Mehr als 20 Prozent der Erkrankten sind daran verstorben.

Viele dieser Erkrankungen werden nach den Untersuchungen von Christopher Buck und Diana Pastrana vom US-National Cancer Institute in Bethesda/Maryland von einer Variante des JC-Virus ausgelöst, gegen die das Immunsystem einiger Menschen eine Lücke aufweist. Diese Lücke lässt sich möglicherweise durch einen experimentellen Impfstoff schließen, der zunächst an Mäusen getestet wurde.

An der San Raffaele Klinik in Mailand wurde der Impfstoff versuchsweise bei einer 75-jährigen Patientin erprobt. Sie entwickelte daraufhin eine starke Immunreaktion, die zur Erholung beigetragen haben könnte. Die Frau wurde allerdings auch mit Interleukin 7 behandelt, das bei einem früheren Patienten auch ohne Impfstoff ebenfalls eine starke Immunreaktion ermöglicht hat.

Ein Problem besteht darin, dass viele Patienten infolge der Einname der Immun­suppressiva nicht mehr in der Lage sind, Antikörper zu bilden, da ihnen die entsprechenden Plasmazellen fehlen. Ein Team um Roland Martin von der Universität Zürich untersucht deshalb die Möglichkeit einer passiven Immuntherapie. Dazu untersuchen sie das Blut von Patienten, die sich nach dem rechtzeitigen Absetzen von Natalizumab oder anderer Immunsuppressiva von der PML erholt haben.

Diese Immun-Rekonstitution ist mit der Bildung von Antikörpern verbunden. Bei einem Patienten wurden jetzt neutralisierende Antikörper gefunden, die im Labor eine gute Wirkung gegen das JC-Virus zeigen. Die Firma Neurimmune, die von Forschern der Universität Zürich gegründet wurde, bemüht sich um die Entwicklung eines Antikörperpräparates. Konkrete Ergebnisse kann das Team jedoch noch nicht vorweisen.

rme

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