Junge Krebspatienten leiden stark unter Geldnot und sozialen Folgen

Berlin – Die finanziellen und sozialen Auswirkungen von Krebs und den notwendigen Therapien werden viel zu wenig beachtet. Dabei führen sie gerade bei jungen Menschen zwischen 18 und 39 Jahren mit Krebs, von denen mehr als 80 Prozent geheilt werden können, zu schweren Belastungen über die eigentliche Erkrankung hinaus. Darauf wiesen heute die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) und die Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs hin.
Gemeinsam stellten sie in Berlin den 16. Band ihrer gesundheitspolitischen Schriftenreihe „Finanzielle und soziale Folgen der Krebserkrankung für junge Menschen“ vor. „Finanzielle und berufliche Einschränkungen sind zwei der drei bedeutsamsten Einschränkungen der Lebensqualität junger Krebspatienten“, sagte Mathias Freund, Vorsitzender des Kuratoriums der Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs. „Die soziale Not ist bei diesen Patienten oft größer als bei Patienten, die sich bereits ihr Leben aufgebaut haben.“
Eine Erklärung dafür seien unterbrochene Ausbildungen, der Zusammenbruch des sozialen Umfeldes sowie Einkommensverluste durch Verzögerungen oder Probleme bei der Rückkehr in den Beruf. Allerdings zeigten umfangreiche Studien aus den Niederlanden, Skandinavien und der Schweiz, dass dies stark von der Diagnose, der Art der Therapie, den Regelungen im Sozialsystem und auch der Konjunktur abhänge.
„Da in den verschiedenen Altersgruppen die einzelnen Krebsdiagnosen unterschiedlich häufig sind, sind umfangreiches Datenmaterial und eine bevölkerungsbezogene Auswertung notwendig, um klare Aussagen zu treffen“, erklärte der Onkologe. „Die unterschiedlichen Datenquellen in Deutschland lassen sich jedoch nicht systematisch auswerten.“
Daten erschließen
Die Politik müsse deshalb die organisatorischen, rechtlichen und finanziellen Voraussetzungen schaffen, damit auch hierzulande Analysen nach dem Vorbild der skandinavischen Länder oder den Niederlanden möglich seien.
Die DGHO und die Stiftung fordern die Erschließung der derzeit noch verstreuten Datenbestände, die Förderung der Forschung auf diesem Gebiet und konkrete Schritte zur Verbesserung der finanziellen und sozialen Situation der Betroffenen. In Deutschland sind es etwa 15.000 junge Menschen, die jedes Jahr an Krebs erkranken.
„Wir brauchen dringend bessere Untersuchungen zu den Auswirkungen von Krebs und seiner Behandlung auf die soziale Lage unserer Patientinnen und Patienten, denn sie haben eine große Bedeutung für die Entwicklung besserer und nebenwirkungsärmerer Therapiekonzepte“, betonte Michael Hallek, Geschäftsführender Vorsitzender der DGHO und Direktor der Klinik I für Innere Medizin an der Universitätsklinik Köln und des Centrums für Integrierte Onkologie.
Die Therapie müsse sich am optimalen Ergebnis für das Überleben bei tragbaren sozialen Folgen für die Betroffenen messen. „Wir müssen ganzheitlicher denken“, so Hallek.
Denn nicht erst nach Abschluss der Therapie, sondern bereits während der Behandlung entstünden durch Zuzahlungen und Kosten, die nicht von den Sozialversicherungen übernommen werden, unmittelbar finanzielle Belastungen für die Patienten.
„Wenn sich die Behandlung länger als 78 Wochen hinzieht, bleibt nur noch die Erwerbsminderungsrente“, verdeutlichte Volker König, Mitglied des Arbeitskreises Onkologische Rehabilitation der DGHO. Diese betrage meist knapp unter 800 Euro im Monat. „Ganz schlimm trifft es diejenigen, die in Ausbildung sind und noch gar keine Leistungsansprüche erworben haben. Sie rutschen nach kurzer Zeit auf Sozialhilfeniveau ab“, so König.
Auch bei der Betreuung der jungen Krebspatienten durch niedergelassene Hämatologen und Medizinische Onkologen geht es nicht nur um Medikamente, Laborwerte, Röntgenbilder, späte Toxizität und Zweitneoplasien.
„Es ist uns wichtig, mit unseren Patientinnen und Patienten zu sprechen. Denn das junge Lebensalter bedingt eine differenzierte Lebensplanung“, erläuterte Wolfgang Knauf, Vorsitzender des Berufsverbands der Niedergelassenen Hämatologen und Onkologen in Deutschland (BNHO). Leider würden gerade diese Leistungen der sprechenden Medizin nicht ausreichend gewürdigt und finanziert.
Viele Patienten benötigten Hilfestellung, um sich im Dschungel der Hilfsangebote zurechtzufinden, sagte Diana Lüftner, Vorstand der DGHO und der Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs sowie Oberärztin an der Charité Universitätsmedizin Berlin.
Eine soziale Beratung müsse mit einem über den Behandlungs- und Rehabilitationsablauf hinweg kontinuierlichen, niedrigschwellig zu erreichenden Angebot mit persönlichen Ansprechpartnern erfolgen, damit junge Menschen nicht „durchs Netz“ rutschen.
Auch mit ihrem jetzt veröffentlichten Band möchte die Fachgesellschaft dort ansetzen. „Der zweite Teil enthält einen Ratgeber für Betroffene“, erläuterte Lüftner. „Er gibt wichtige Hilfestellungen von BAföG über Krankengeld und Rehabilitation bis hin zu Tipps für die Beantragung eines Schwerbehindertenausweises.“
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