Bundessozialgericht erleichtert Zugang zu Erwerbsminderungsrente

Kassel – Das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel hat den Zugang zu einer Erwerbsminderungsrente erleichtert und die Voraussetzungen dafür an die Bedingungen des heutigen Arbeitsmarkts angepasst. Nach einem heute verkündeten Urteil (Az: B 13 R 7/18 R) kann ein Anspruch auf Erwerbsminderungsrente auch dann bestehen, wenn es wegen zahlreicher „gewöhnlicher“ gesundheitlicher Einschränkungen faktisch keine Tätigkeit mehr gibt, die die betroffene Person ausführen kann.
Schon nach bisheriger BSG-Rechtsprechung kann Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente bestehen, wenn der Arbeitsmarkt für einen Menschen aus gesundheitlichen Gründen „verschlossen“ ist, er also faktisch keinen passenden Arbeitsplatz finden und die Rentenversicherung auch keine solche Tätigkeit benennen kann.
Die Hürden dafür waren allerdings hoch. Voraussetzung war eine „schwere spezifische Einschränkung“ oder mindestens zwei in der Summe „ungewöhnliche“ Einschränkungen, etwa eine erhebliche Sehstörung oder der Ausschluss von Tätigkeiten, die auch nur teilweise im Stehen auszuüben sind.
Im Streitfall hat der heute 55-jährige Kläger zahlreiche „gewöhnliche“ Einschränkungen. Er kann keine körperlich schweren Tätigkeiten ausüben, nicht länger stehen, sich schwer konzentrieren – und vieles mehr. Er macht geltend, dass auch für ihn der Arbeitsmarkt letztlich „verschlossen“ sei.
In der Vorinstanz gab ihm das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg in Potsdam Recht, weil es insgesamt kaum noch Stellen für „Einfacharbeit“ gebe. Dem folgte das BSG nun zwar nicht. Daher kann die Rentenversicherung Arbeitslose mit körperlichen Einschränkungen weiterhin auf einfache Tätigkeiten verweisen.
Allerdings kann nach der neuen Rechtsprechung ein Anspruch auf Erwerbsminderungsrente auch dann bestehen, wenn „mehrere, auf den ersten Blick gewöhnliche Leistungseinschränkungen vorliegen“. Voraussetzung sei, dass diese sich in der Summe wie zwei „ungewöhnliche“ Einschränkungen auswirken, so dass der Arbeitsmarkt als faktisch „verschlossen“ gelten kann.
Dies muss nun das LSG Potsdam im vorliegenden Fall nochmals prüfen. Wenn es den Arbeitsmarkt als verschlossen ansieht, muss es weiter Klären, ob es für die benannte Vergleichstätigkeit eines „Pförtners an der Nebenpforte“ tatsächlich noch Arbeitsplätze gibt.
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