Kammer Westfalen-Lippe fordert besonderen Schutz von ADHS-Kindern
Münster – Die Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL) will die Versorgung von Kindern mit Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) verbessern. Betroffen sind der Kammer zufolge rund 600.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland, ADHS sei damit die häufigste Verhaltensstörung in dieser Altergruppe.
„ADHS-Kinder brauchen unseren besonderen Schutz, weil sie häufig missverstanden und ausgegrenzt werden“, forderte ÄKWL-Präsident Theodor Windhorst. Unklar sei nach wie vor, wie viele Kinder ADHS als Fehldiagnose erhielten und bei wie vielen Kindern ADHS nicht erkannt werde. „ADHS ist nicht nur ein medizinisches Phänomen, sondern hat auch eine von vielen Faktoren beeinflusste gesellschaftliche Dimension“, so Windhorst.
So müsse untersucht werden, ob kindliches Verhalten tatsächlich „hyperaktiv“ sei – oder eher ein Spiegelbild moderner Lebensformen, in denen kindlicher Bewegungsdrang und Impulsivität kein Ventil und keine Akzeptanz fänden und allzu schnell als „auffällig“ angesehen würden.
Genau beobachtet werden müsse, so Windhorst, der ansteigende Verbrauch von Methylphenidat. Insgesamt sei die Verordnung von Antipsychotika für Kinder und Jugendliche zwischen 2005 und 2012 um rund 40 Prozent gestiegen; fast die Hälfte der Medikamente werde wegen hyperkinetischer Störungen eingesetzt. Der Erwartungsdruck auf Ärzte sei groß: „Man muss kritisch fragen, ob nicht manchmal mit der Verordnung von Ritalin auf Drängen von Eltern versucht werden soll, auffällige Kinder und Jugendliche ruhigzustellen, sie anzupassen oder ihre schulischen Leistungen zu verbessern“, warnte der Kammerpräsident.
„Übertherapie“ werde den Bedürfnissen der betroffenen Kinder ebenso wenig gerecht wie eine nicht ausreichende Versorgung. Im Idealfall sollte eine Behandlung verhaltenstherapeutische, medikamentöse und auch die Bildung betreffende Maßnahmen verbinden. „In jedem Fall jedoch“, forderte Windhorst, „müssen Diagnose und Therapie von ADHS bei einem Facharzt liegen.“
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