Karl Lauterbach wird neuer Bundesgesundheitsminister

Berlin – Der Gesundheitsexperte Karl Lauterbach soll neuer Bundesgesundheitsminister werden. Das gab die SPD auf einer Presskonferenz heute bekannt. Dort wurden auch die weiteren sechs Ministerinnen und Minister der SPD in der künftigen Ampelkoalition benannt.
Der künftige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erklärte heute, für ihn sei es „ganz wichtig“, dass man im Blick habe, dass die Pandemie noch nicht vorbei ist. „Viele Menschen haben sich in Deutschland gewünscht, dass der Gesundheitsminister vom Fach ist und dass der nächste Minister Karl Lauterbach heißt. Er wird es“, sagte Scholz.
Lauterbach dankte bei der Kurzvorstellung des Kabinetts der Partei für das Vertrauen und die vielen Zuschriften aus der Bevölkerung. „Wir werden das Gesundheitssystem stärken. Es wird keine Leistungskürzungen im Gesundheitswesen geben“, sagte er.
Er kündigte zudem an, er wolle das System wieder „robuster“ machen. Den Kampf gegen die Pandemie werde man „gewinnen“. Impfen sei „der Weg daraus“. Auch wolle man sich für künftige Pandemien besser wappnen.
Lauterbach ist seit 2005 Bundestagsabgeordneter für seinen Wahlkreis in Leverkusen. Der 58-Jährige ist Mediziner und Gesundheitsökonom. Bundesweit besonders bekannt wurde er in Talkshows während der Coronapandemie.
Er war auch als Berater in vielen gesundheitspolitischen Fragen und Diskussionen in den vergangenen Jahren engagiert. Allerdings galt er bislang als nicht sonderlich beliebt in der eigenen Partei – besonders während der Pandemie wurde er nicht für eine Rede von seiner Fraktion vorgeschlagen.
Seit Beginn der Coronakrise im vergangenen Jahr schenkt er darüber hinaus den Menschen reinen Wein ein und polarisierte damit immer wieder. Auch deshalb galt es lange als ungewiss, ob ihn der neue Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in sein Kabinett holen wird. Lauterbach sprach heute auch wieder davon, dass „die Pandemie länger dauern wird, als viele denken“.
Noch gestern Abend saß Lauterbach in der ARD-Talksendung „Anne Will“ – scheinbar unbeeindruckt von seiner bevorstehenden Ernennung zum Minister – und machte das, wofür er bekannt geworden ist in der Pandemie: Er zitierte aus Studien – in diesem Fall zur neuen Omikron-Variante. Die Detailversessenheit ist das Markenzeichen des Epidemiologen, der sich mit seiner Dauerpräsenz in den Fernseh-Talkshows zu einem der führenden Coronaexperten im Lande gemausert hat.
Dafür ist der 58-Jährige bekannt und beliebt, in einer Umfrage wünschten ihn sich 45 Prozent als neuen Gesundheitsminister. Von der Popularität des SPD-Linken zeugt auch sein gutes Wahlkreisergebnis bei der Bundestagswahl. Souverän holte er das Direktmandat in Leverkusen – und schaffte so trotz eines hinteren Listenplatzes den Wiedereinzug in den Bundestag.
Doch Beliebtheit allein macht noch keinen Minister: Gerade wegen seines Hangs, sich in wissenschaftlichen Studien zu vergraben, wurde darüber spekuliert, dass Lauterbach bei der Besetzung des Gesundheitsressorts leer ausgehen könnte. Denn Regieren heißt in erster Linie einen Apparat verwalten – und im Falle Lauterbachs – mit der Pandemie umzugehen.
Doch am Ende konnte Scholz, dem kein allzu gutes Verhältnis zu Lauterbach nachgesagt wird, wohl gar nicht anders, als den eigenwilligen Gesundheitsexperten zum Minister zu machen – schließlich wird dem künftigen Regierungschef Zögerlichkeit in der Pandemie vorgeworfen.
Doch der wortgewandte Epidemiologe mit dem rheinischem Singsang, dem wegen seiner klaren Ansagen auch der Hass der Coronaleugner entgegen schlägt, muss sich nun in die Mühen der Ebene begeben. Dort wird er bald seine Grenzen zu spüren bekommen. Denn bei der Pandemiebekämpfung haben vielfach andere das Sagen: Die konkreten Maßnahmen wie 2G-Regeln oder Kontaktbeschränkungen liegen letztlich immer in der Verantwortung der Länder.
Und wenn es darum geht, deren Vorgehen bundesweit zu koordinieren, ist vor allem das Kanzleramt gefragt. So wird es zu Lauterbachs Hauptaufgaben gehören, die Impfstoffversorgung zu organisieren - und natürlich ist sein Haus gefragt, wenn es um weitere Veränderungen am Infektionsschutzgesetz geht.
Lauterbachs Pandemiekompetenz rührt von seiner medizinischen Ausbildung her: Nach dem Medizinstudium promovierte er in Epidemiologie und Gesundheitsökonomie an der Harvard-Universität. 1988 wurde er Direktor des Instituts für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie an der Kölner Universität. 1996 kehrte er als Gastdozent nach Boston zurück. 1999 übernahm er dann verschiedene Funktionen in deutschen Gesundheitsgremien, bevor er 2005 erstmals in den Bundestag einzog.
Das Amt des für die Gesundheit zuständigen SPD-Fraktionsvize gab 2019 Lauterbach ab, um sich gemeinsam mit der Bundestagsabgeordneten Nina Scheer um den SPD-Vorsitz zu bewerben. Beide scheiterten deutlich, danach blickte Lauterbach in eine ungewisse politische Zukunft. Die Coronakrise, in der er auch Bundeskanzlerin Angela Merkel beraten hat, bescherte ihm dann seine Expertenkarriere.
Zwar wird Lauterbach auch nach seiner Ernennung nicht mehr mit Dauerpräsenz bei „Anne Will“ und „Markus Lanz“ weitermachen können. Doch er ließ auch heute erkennen, dass er auch im neuen Amt keine unbequemen Botschaften vermeiden wird. So ließ er ausdrücklich offen, wie die Coronalage an Weihnachten sein könnte.
„Ein wichtiges Ziel muss sein, die Fallzahlen so stark herunterzubringen, dass wir ohne die Menschen zu gefährden, Reisen empfehlen können“, sagte er heute. Wie er das in den verbleibenden zweieinhalb Wochen bewerkstelligen will, sagte Karl Lauterbach nicht.
Unterdessen haben nach SPD und FDP heute auch die Grünen dem Koalitionsvertrag der drei Parteien zugestimmt. Zu Buche stehen nun Zustimmungswerte von 98,8 Prozent (SPD), 92,2 Prozent (FDP) und rund 86 Prozent (Grüne). Morgen soll das 177 Seiten starke Werk unterschrieben werden. Auch alle Minister sind benannt. Dann kann Olaf Scholz (SPD) übermorgen im Bundestag zum Kanzler gewählt und sein Kabinett vereidigt werden.
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