Kassenärzte lehnen Einführung ambulanter Codierrichtlinien ab

Berlin – Gegen die Einführung einheitlicher Codierrichtlinien für die niedergelassenen Ärzte hat sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) ausgesprochen. „Eine akkurate Codierung von Diagnosen ist schon jetzt möglich“, betonte deren stellvertretender Vorstandsvorsitzender Stephan Hofmeister vor Journalisten in Berlin. Die Codierung immer komplexer zu machen und immer detailreicher zu regeln, löse die gegenwärtigen Probleme nicht.
Hofmeister spielte damit auf die Praxis einiger Krankenkassen an, Ärzte zum Teil gegen Bezahlung dazu zu bewegen, Patienten kränker darzustellen als sie sind. Denn die Kassen erhalten für Versicherte, die an bestimmten kostenintensiven chronischen oder schwerwiegenden Krankheiten leiden, höhere Zuweisungen aus dem morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA).
Der Gesetzgeber hatte dieses Verfahren 2009 mit dem Ziel eingeführt, dass die Krankenkassen, die viele alte und kranke Mitglieder versorgen, nicht gegenüber jenen benachteiligt werden, die überdurchschnittlich viele junge und gesunde Versicherte haben. Hofmeister nannte die Praxis der Kassen „ungeheuerlich“ und wies darauf hin, dass das „Upcoding“, die bewusst falsche Darstellung einer Diagnose, ein ärztlicher Kunstfehler und damit strafbar sei.
„Das Problem kann nicht in der Arztpraxis gelöst werden“
Es handle sich um einen Konflikt der Kassen untereinander, der sich nicht durch die Einführung einheitlicher Codierrichtlinien lösen lasse, bekräftigte der KBV-Vorstandsvorsitzende Andreas Gassen. Eine Manipulation von Diagnosen beispielsweise durch bestimmte Vorgaben in den Praxisverwaltungssystemen lasse sich damit nicht verhindern.
Das könne nur durch die bundesweite Zertifizierung der entsprechenden Software unterbunden werden. Darüber hinaus dürften Morbi-RSA und ärztliches Codieren nicht miteinander vermischt werden, so Gassen. Hier müsse der Gesetzgeber eine Lösung schaffen. „Das Problem kann nicht in der Arztpraxis gelöst werden“, sagte der KBV-Chef.
KBV-Abteilungsleiterin Anna Maria Raskop wies darauf hin, dass es bereits heute zahlreiche Vorgaben für eine möglichst einheitliche Codierung von Diagnosen gibt. Neben den Verschlüsselungsregeln der Internationalen Klassifikation der Krankheiten, der ICD-10, gebe es Kodiervorgaben für den ambulanten Bereich vom Bundesministerium für Gesundheit sowie die Anleitung zur Verschlüsselung vom Deutschen Institut für Dokumentation und Information (DIMDI).
Dazu kämen Codierhilfen der KBV und des Zentralinstituts für die Kassenärztliche Versorgung. Den Empfehlungscharakter dieser Hilfen betonte KBV-Vize Hofmeister. „Wir geben ganz sicher keine Regeln vor“, sagte er. Kein Patient sei wie der andere. Man könne weder das individuelle Krankheitsgeschehen eines Patienten noch die Heilkunde eines Arztes mit starren Codierregeln abbilden.
Kassen müssen 22 Millionen Euro an Gesundheitsfonds zurückzahlen
Für einheitliche Codierrichtlinien hatte sich dagegen am Wochenende der Präsident des Bundesversicherungsamtes ausgesprochen. Das senke die Gefahr von Manipulationen, sagte Frank Plate der Rheinischen Post. 2017 mussten die Krankenkassen 22,2 Millionen Euro zurückzahlen, die sie im Rahmen des Morbi-RSA zu viel aus dem Gesundheitsfonds erhalten hatten. 2016 seien es 8,8 Millionen Euro gewesen.
Um den Ausgleich zwischen den Kassen zielgenauer zu gestalten und Fehlanreize zu vermeiden, schlug Plate vor, alle Krankheiten in den Morbi-RSA einzubeziehen und nicht, wie derzeit, 80 Diagnosen „von Aids bis Schlaganfall“. Plate bekräftigte zudem, dass die Codierberatung von Ärzten keine Aufgabe der Krankenkassen sei. Deshalb dürften dafür auch keine Beitragsgelder verwendet werden.
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