Politik

Bundesversicherungs­amt: Diagnose­manipulationen sind strafbar

  • Mittwoch, 29. August 2018
/takasu, stock.adobe.com
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Berlin – Im vergangenen Jahr haben sich bundesweit mehrere Staatsanwaltschaften wegen Verdachtsfällen auf Manipulationen von Diagnosen an das Bundes­versicherungs­amt (BVA) gewendet. Das geht aus dem aktuellen Jahresbericht der Aufsichtsbehörde hervor. Wie viele Anfragen es konkret gab und welche Staatsanwaltschaften diese gestellt haben, wollte das BVA auf Nachfrage des Deutschen Ärzteblattes (DÄ) nicht sagen.

„Ziel unserer Ausführungen im Tätigkeitsbericht ist es, auch die strafrechtliche Relevanz der unzulässigen Einflussnahme auf Diagnosedaten aufzuzeigen“, sagte ein BVA-Sprecher dem . Da es sich um laufende polizeiliche beziehungsweise staatsanwaltschaftliche Ermittlungen handele, bitte man um Verständnis dafür, dass man über Einzelheiten grundsätzlich keine Auskünfte geben könne.

An die Behörde sei die Bitte um Unterstützung bei der Aufklärung von Verdachtsfällen im Bereich der im morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich finanzwirksamen Codierung von Krankheiten gerichtet worden, heißt es im Bericht. Man habe als „Durchführungsbehörde des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs, die die Beitragseinnahmen der Krankenkassen und den Bundeszuschuss treuhänderisch verwaltet und verteilt, die entsprechenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen konstruktiv begleitet und im Rahmen seiner Möglichkeiten unterstützt“.

In dem Report weist die Kassenaufsicht auch wiederholt darauf hin, dass ärztliche Diagnosen unter anderem die Datengrundlagen zur Berechnung des Risikostrukturausgleichs bilden und nicht beeinflusst werden dürfen. Die Ziele des Finanzausgleichs würden nicht erreicht, wenn die ärztlichen Codierungen seitens der Krankenkassen beeinflusst werden, um Zuweisungen aus dem RSA „künstlich“ zu steigern, schreibt das BVA, das nachdrücklich erklärt, dass die rechtliche Lage eindeutig ist.

„Jede Art von Einflussnahme von Krankenkassen auf das ärztliche Codierverhalten ist rechtswidrig“, schreibt die Aufsicht und teilte mit, dass inzwischen auch die sogenannten Betreuungsstrukturverträge in bisheriger Form Geschichte sind. Wie das BVA schreibt, gab es zuletzt 55 Vertragsabschlüsse der bundesunmittelbare Krankenkassen. Diese seien nach Intervention des BVA „flächendeckend gekündigt“ worden. Lediglich in einer Region sei eine Vertragsanpassung erfolgt.

Die Betreuungsstrukturverträge sollen im Grundsatz eine verbesserte Betreuung etwa multimorbider Versicherter ermöglichen. Allerdings ergaben sich laut BVA aus dem nach Anzahl der dokumentierten Diagnosen gestaffelten vertraglichen Vergütungs­system Anreizprobleme für Ärzte und Krankenkassen. Wie das BVA erklärte, habe man unter anderem vertragliche Regelungen aufgegriffen, die vorsahen, dass in bestimmten Konstellationen Verdachtsdiagnosen mit dem Zusatzkennzeichen „G“ – gesichert – codiert werden sollten.

Kritik übte das BVA im vergangenen Jahr auch an der Codierberatung, von der es weiterhin Fälle gegeben habe. „Hierbei werden durch Krankenkassenmitarbeiter oder durch beauftragte Dienstleister ärztliche Leistungserbringer anlassbezogen oder im Rahmen von Schulungsmaßnahmen mit der Zielsetzung beraten, das ärztliche Codierverhalten im Sinne der Krankenkassen zu beeinflussen“, so das BVA. Der Gesetzgeber habe aber unmissverständlich klargestellt, „dass Krankenkassen oder von Krankenkassen beauftragte Dritte auch mittels informationstechnischer Systeme Ärzte nicht im Hinblick auf die Vergabe und Dokumentation von Diagnosen beraten dürfen“.

Neben der persönlichen oder telefonischen Beratung hat das BVA dem Bericht zufolge auch die softwaregestützte Codierberatung seitens der Krankenkassen ins Visier genommen. Die Gesetzeslage regele zwar, dass Verträge zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern keine Vorschläge in elektronischer oder maschinell verwertbarer Form für die Vergabe und Dokumentation von Diagnosen für den Vertragspartner beinhalten dürfen. Daran hielten sich die Kassen aber offenbar nicht.

„Rund drei Viertel der Krankenkassen haben solche Verträge angezeigt“, schreibt das BVA, das die Kassen konkret um diese Informationen gebeten hatte. Es handele sich dabei im Wesentlichen um Selektivverträge nach Paragraf 140a SGB V und Verträge zur hausarztzentrierten Versorgung nach Paragraf 73b SGB V, nach denen Software zur Umsetzung des Vertrages zum Einsatz kam. Allerdings habe „ein Großteil der Krankenkassen eine rechtskonforme Umsetzung oder zumindest infolge der Abfrage eine Anpassung zugesichert“, so die Behörde weiter. Entsprechende aufsichtsrechtliche Verfahren seien aber „noch nicht abgeschlossen“.

Wie das BVA weiter mitteilte, hat es zugleich in mehreren Fällen Krankenkassen die Finanzierung von Praxissoftware untersagt, die insbesondere einen Abgleich der DMP-Dokumentation mit der Patientenakte hinsichtlich der dokumentierten Diagnosen vornahm.

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