Ärzteschaft

KBV-Chef Gassen kritisiert Lauterbach scharf

  • Freitag, 15. September 2023
KBV-Chef Andreas Gassen /Lopata, Axentis
KBV-Chef Andreas Gassen /Lopata, Axentis

Berlin – Die ambulante Versorgung erfährt von der Politik nicht die notwendige Unterstützung – im Gegen­teil. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), übte heute scharfe Kritik an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).

Dass der Bundesgesundheitsminister auf das KBV-Forderungspapier vom 18. August nur mit einer „Nicht-Ant­wort“ reagiert habe, zeige, dass Lauterbach offenkundig „völlig taub für die Belange der Praxen“ sei.

Statt „Millionen von Euro in die Errichtung neuer Behörden oder auch in Werbekampagnen zur Cannabislega­lisierung zu stecken“, solle in die „chronisch unterfinanzierte“ ambulante Versorgung investiert werden, be­tonte Gassen im Rahmen der KBV-Vertreterversammlung.

Solange kein Wandel erkennbar sei, würden die Protestaktionen der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) weiter laufen. Gassen dankte den KVen – diese seien der Motor in den Ländern, um die Proteste in die Fläche weiterzutragen.

In unmittelbarem Zusammenhang mit den Problemen stünden auch die Finanzierungsverhandlungen mit den Krankenkassen. Diese seien dieses Jahr „so kontrovers wie nie zuvor“ gewesen. Immerhin habe man bei den Verhandlungen zum Orientierungspunktwert mit dem GKV-Spitzenverband für 2024 eine Steigerung von knapp vier Prozent erreicht.

Zudem würden Tarifvertragsänderungen bei den Medizinischen Fachangestellten (MFA) künftig unmittelbar in den Verhandlungen berücksichtigt und nicht erst zwei Jahre später. Gassen sieht darin einen wichtigen ersten Schritt zur Änderung der Berechnungssystematik, die die wirtschaftliche Tragkraft sicherstellen solle.

Trotz aller Differenzen gelinge es den Partnern der Selbstverwaltung aber immerhin, doch noch gemeinsam zu agieren. Das BMG zeige hingegen „kein Interesse mehr an einer konstruktiven Zusammenarbeit mit der Selbstverwaltung“, kritisierte Gassen. „Die haus- und fachärztliche und psychotherapeutische Versorgung, die von allen wertgeschätzt wird, wird es in der jetzigen Form nicht mehr lange geben, wenn wir Herrn Lauter­bach nicht stoppen.“

Die Stimmung in den Praxen sei an einem historischen Tiefpunkt angelangt, so Gassen. Dies resultiere nicht nur aus der chronischen Unterfinanzierung, sondern auch aus „überbordender Bürokratie, versorgungsfernen Digitalisierungsvorhaben, Fachkräftemangel und mangelnder Wertschätzung“. Wolle die Politik Versorgung ermöglichen und nicht verhindern, seien „gezielte und bedarfsorientierte Maßnahmen“ erforderlich.

Gassen verwies beispielhaft auf eine Kernforderung der KBV und der KVen: Die Entbudgetierung, die im Koali­tionsvertrag zumindest für den hausärztlichen Bereich zugesagt worden sei.

Auch zum Thema Ambulantisierung habe die Ampelregierung in ihrem Koalitionsvertrag ein Versprechen ge­geben und bislang nicht gehalten. Seit Monaten warte man nun auf die Rechtsverordnung zu den Hybrid-DRG. Dem Vernehmen nach sei allerdings ohnehin nur eine Minimallösung zu erwarten.

Erfolge keine grundsätzliche und umfassende Stärkung des ambulanten Versorgungsbereiches, werde das Praxissterben, das sich schon jetzt schleichend vollziehe, „unvermeidlich“ zum Kollaps der ambulanten Ver­sorgung durch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und -therapeuten führen.

Nehme Lauterbach die Forderungen des KV-Systems weiterhin nicht ernst, drohe bereits in den nächsten Monaten eine andere Versorgung, warnte Gassen. Weitere Wege, längere Wartezeiten und eine vom Budget diktierte Leistungsmenge seien dann unvermeidbar – „schlichtweg, weil es ohne die dringend nötigen Änderungen nicht mehr anders geht“.

aha

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