KBV kontrovers: „Ohne Entlastung der Ärzte wird es nicht gehen“

Berlin – Ärztinnen und Ärzte müssen von Tätigkeiten entlastet werden, die nicht in ihre Kernkompetenz fallen. Ansonsten lässt sich angesichts der demographischen Entwicklung und des drohenden Ärztemangels eine wohnortnahe und flächendeckende medizinische Versorgung der Bevölkerung nicht in gewohnter Qualität aufrechterhalten. „Ohne Entlastung der Ärzte wird es nicht gehen“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Köhler. Der KBV-Chef diskutierte am Mittwoch in Berlin im Rahmen der Veranstaltungsreihe KBV kontrovers mit dem Präsidiumsmitglied des Deutschen Pflegerats, Andrea Lemke, über Delegation und Substitution ärztlicher Leistungen.
Köhler sprach sich dabei klar für das Prinzip der Delegation aus. Zum einen sei dieser Bereich rechtlich eindeutig geregelt. Zum anderen werde dadurch eine weitere Fragmentarisierung der Versorgung verhindert. Insbesondere bei der Behandlung chronisch kranker multimorbider Patienten gebe es einen großen Koordinierungsbedarf. Darauf könne die Substitution, also die Übertragung bestimmter ärztlicher Tätigkeiten in die Eigenverantwortung von Angehörigen der Alten- und Krankenpflegeberufe, keine Antwort sein. „Die Fäden müssen im Sinne eines Case Managements an einer Stelle zusammen laufen“, erklärte Köhler. „Das kann nur beim Arzt sein.“
Dazu komme, dass die Substitution noch unerprobt sei. Zwar hat der Gemeinsame Bundesausschuss, in dem KBV und Kassen vertreten sind, Ende Oktober 2011 eine Richtlinie zur Heilkundeübertragung im Rahmen von Modellvorhaben beschlossen, die auch Inhalt und Umfang der selbstständigen Ausübung von Heilkunde regelt. Beispiele sind etwa spezifische Infusionstherapien, Wund- oder Schmerztherapie. Allerdings kritisierten sowohl Köhler als auch die Vertreterin der Pflege, Lemke, die hohen Hürden für die Umsetzung.
Einer der Knackpunkte ist, dass die Pflegekräfte ein eigenes Ausbildungscurriculum durchlaufen müssen, um sich für die selbstständige Ausübung der Heilkunde zu qualifizieren. „Das ist das größte Hindernis für eine zeitnahe Umsetzung der Modellversuche“, kritisierte Lemke. „Denn wir haben ja bereits Mitarbeiter, die über entsprechende Zusatzqualifikationen verfügen, und die sofort an den Start gehen könnten.“
Um nicht jahrelang Zeit in Modellversuchen zur Substitution zu verschwenden, plädierte Köhler dafür, sich auf die Delegation ärztlicher Leistungen zu konzentrieren und dabei insbesondere auf die Medizinischen Fachangestellten zu setzen. Für Lemke ergibt sich daraus allerdings ein weiteres Schnittstellenproblem: „Wie bringen wir die Medizinischen Fachangestellten und die Häusliche Krankenpflege zusammen?“
Für Kontroversen sorgte auch die Frage nach der Finanzierung von Leistungen im Rahmen der Delegation oder Substitution. Lemke plädierte dafür, zunächst Strukturprobleme anzugehen, bevor man über Geld rede: „Wenn wir das Fass aufmachen, erschlagen wir jede Diskussion.“ Köhler erklärte hingegen: „Natürlich müssen wir über Geld reden.“
Die Delegation ärztlicher Leistungen werde die Versorgung nicht billiger machen, sondern vielmehr einen finanziellen Mehrbedarf schaffen. Erkenne die Politik das nicht an, „sind wir bei der Umverteilung“. Dann würden die Pflegekräfte nicht extra vergütet, sondern aus dem Topf der Ärzte bezahlt. Das sei nicht zu vertreten.
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