KBV mahnt ganzheitlichen Ansatz bei Patientensteuerung an

Berlin – Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) plädiert für einen holistischen Ansatz bei Reformen für eine bessere Patientensteuerung im Gesundheitswesen. Das erklärte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende, Stephan Hofmeister, gestern bei der Herbsttagung der KBV.
„Es gibt keinen Zweifel daran, dass mehr Patientensteuerung im Gesundheitswesen notwendig ist“, sagte Hofmeister. Dahingehende Gesetzesvorhaben müssten aber im Zusammenhang mit der Krankenhaus- und Notfallreform gedacht werden. „Und es macht uns Sorge zu sehen, dass diese Bereiche unabhängig voneinander voranschreiten.“
In den folgenden Diskussionen herrschte zwar weitestgehende Einigkeit darüber, dass eine sinnvolle Koordinierung der Sektoren des Gesundheitswesens notwendig ist. Über die genaue Ausgestaltung gingen die Meinungen aber auseinander.
Sanktionen gegen Patienten würden sich kaum vermeiden lassen, wenn diese beispielsweise trotz einer vorgeschriebenen Ersteinschätzung Notaufnahmeeinrichtungen aufsuchten, erklärte Anke Richter-Scheer, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL).
Ein gutes Beispiel sei Österreich, sagte Anne-Kathrin Klemm, Vorständin beim BKK-Dachverband: Dort würden Menschen oft aus Notaufnahmen weggeschickt, wenn sie vorher nicht das vorgeschriebene Ersteinschätzungsverfahren durchlaufen hätten.
Das sieht auch der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO), Carsten König, so. Freiwilligkeit werde nicht helfen, es brauche mehr – auch finanzielle Verbindlichkeit. „Wir kommen nicht weiter, wenn die Patienten tun, was sie wollen“, sagte er.
Allerdings müssten auch bessere rechtliche Grundlagen geschaffen werden, damit Krankenhäuser beispielsweise die Möglichkeit erhielten, Patienten in Partnerpraxen oder nach Hause zu schicken. Zudem fehle es an gesetzlichen Regelungen zur Vereinheitlichung der Arbeit von Leitstellen.
Statt loser Kooperationspraxisstrukturen brauche es vielmehr eine verbindliche Zuleitung von Terminangeboten an Patienten inklusive der Zuleitung von Patienteninformationen von den Krankenhäusern an die Praxen, wandte Anke Schliwen, Leiterin der Abteilung Sicherstellung in der KBV, ein.
Dafür brauche es in den Praxen auch keine vorher festgelegten und freigehaltenen Termine für diese Fälle. „Die Regelversorgung ist es ja gewohnt, dringende Fälle auch ohne Termin dazwischenzuschieben“, sagte sie. Wenn in einer Notaufnahme festgestellt werde, dass ein Patient innerhalb der nächsten Stunden einen Arzt sehen sollte, könne das auch ohne Partnerpraxen geklärt werden, wenn die richtigen Strukturen dafür existierten.
Auch Eigenbeteiligungen seien denkbar, erklärte Özlem Açıkgöz, stellvertretende Leiterin des Geschäftsbereichs evidenzbasierte medizinische Versorgung und G-BA bei der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). Deren Abrechnung dürfe jedoch nicht zwischen Patient und Krankenhaus erfolgen. „Was wir im Krankenhaus nicht gebrauchen können, sind Diskussionen mit Patienten über Zuzahlungen“, sagte sie.
BKK-Vorständin Klemm setzt eher auf Wahltarife in der gesetzlichen Krankenversicherung. Hiermit habe die Schweiz gute Erfahrungen gemacht. „Man sieht dort, dass es einen steuernden Effekt hat, wenn es an den Geldbeutel geht“, betonte sie. „Ich glaube, dass das auch hier einen Effekt haben würde.“
Generell brauche es eine „Versorgungsstufe 0“, die die Patienten abfängt. Dort müsse ihnen Beratung und, wenn nötig, Weiterleitung an die richtigen Stellen geboten werden – oder ihnen auch nur die Information gegeben werden, dass es reiche, eine bestimmte Zeit zuhause zu bleiben.
„So können wir Versicherten das Vertrauen geben, dass sie in die richtige Versorgungsstufe kommen“, sagte sie. Der ideale Weg gehe dabei über ein standardisiertes Ersteinschätzungstool. Die Debatte müsse von der primärärztlichen Versorgung zur Primärversorgung übergehen, forderte sie.
Johanna Ludwig, Leiterin der Stabstelle Versorgung bei der Gematik, plädierte demgegenüber für Maßnahmen, die Patientinnen und Patienten eine bessere Orientierung im Gesundheitswesen ermöglichen.
Viele Ineffizienzen würden dadurch zustande kommen, dass Patienten nicht wüssten, wohin sie sich mit bestimmten Gesundheitsproblemen überhaupt wenden sollten. Selbst ihr als ausgebildeter Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie falle es oft schwer, sich im System zurechtzufinden und die richtigen Termine zu finden.
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