KBV-Vertreterversammlung: Steiner mahnt Ausfinanzierung der 116117 an

Leipzig – Dass die 116117 erstmals explizit in einem Koalitionsvertrag erwähnt wird, stellt einen Erfolg und auch eine Würdigung der Leistung des Systems der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) dar. Entsprechend äußerte sich heute Sibylle Steiner, Mitglied des Vorstandes der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV).
Wenn die Bundesregierung bei strukturierter Ersteinschätzung und Telemedizin auf die 116117 setzen wolle, könne die Finanzierung dieser Strukturen nicht länger ausschließlich bei den Kassenärztlichen Vereinigungen liegen, sagte sie.
Gebraucht würden zusätzliche Investitionen der öffentlichen Hand, „denn es handelt sich um nicht weniger als eine infrastrukturelle Maßnahme des Staates zur Daseinsvorsorge“, betonte Steiner auf der KBV-Vertreterversammlung. Dann könne man die 116117 zu einer umfassenden Versorgungs-, Vermittlungs- und Serviceplattform ausbauen.
Dass Bundesgesundheitsministerin (BMG) Nina Warken (CDU) einen Bürokratieabbau in der ambulanten Versorgung angekündigt habe, sei ausdrücklich zu begrüßen, so Steiner. Aus dem KV-System lägen dazu viele konkrete Vorschläge vor.
Unter anderem gelte es, das Antrags- und Gutachterverfahren für Psychotherapien zu vereinfachen, zu modernisieren und vor allem zu digitalisieren. Nach wie vor fehle der Selbstverwaltung aber die gesetzliche Grundlage für ein digitales Antrags- und Genehmigungsverfahren.
Die Digitalisierung könne grundsätzlich einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, den bürokratischen Aufwand in den Praxen zu verringern und Abläufe zu verbessern. Steiner verwies beispielhaft auf die Kooperation mit dem Formularlabor der KV Westfalen-Lippe (KVWL) unter dem Leitgedanken: erst entbürokratisieren, dann digitalisieren.
Der aktuelle Koalitionsvertrag beinhalte das Versprechen, Dokumentationspflichten und Kontrollen deutlich zu verringern. „Die von uns als KBV schon lange geforderte Bagatellgrenze von 300 Euro bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen soll damit endlich kommen“, begrüßte Steiner.
Man werde als KBV in Kürze mit weiteren eigenen Positionen auf das BMG zugehen – etwa den Grundsatz „Beratung vor Regress“ auch für Einzelfallprüfungen vorzusehen und die Differenzkostenmethode einzuführen, um beispielsweise Kinderärzte im Falle von Off-Label-Use-Verordnungen vor einem Regressrisiko zu schützen. Auch beim Impfen als einer der zentralen Präventionsmaßnahme dürfe das Erreichen der Impfziele nicht durch Regresse gegenüber den Praxen gefährdet werden.
Zur bundesweiten Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) merkte Steiner an, dass die Nutzung der ePA für die Praxen zunächst freiwillig ist, sei angesichts des ruckeligen Starts in den Modellregionen auch „dringend geboten“.
Sie appellierte an alle Praxen, die Zeit der freiwilligen Hochlaufphase zu nutzen und vor allem auch Feedback an die PVS-Hersteller und die Gematik zu geben. So könnten weitere Verbesserungen an Technik und Praxistauglichkeit der ePA erreicht werden.
Handlungsbedarf gebe es zudem bei dem Thema Umstellung sämtlicher TI-Komponenten und Anwendungen auf einen neuen Verschlüsselungsalgorithmus (ECC-Migration).
Laut Vorgabe der Bundesnetzagentur (BNA) und Empfehlung des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) darf das aktuelle Verfahren nur noch bis Ende dieses Jahres verwendet werden – weshalb unter anderem 35.000 TI-Konnektoren und circa 100.000 elektronische Heilsberufsausweise (eHBAs) ausgetauscht werden müssen.
„Wir halten eine sichere und reibungsfreie Umsetzung der neuen Verschlüsselungsanforderungen in der Kürze der noch zur Verfügung stehenden Zeit für kaum realisierbar. Wir sprechen uns deshalb für eine sichere Verlängerung der Nutzungsdauer des bisherigen Verschlüsselungsalgorithmus über den 31. Dezember 2025 hinaus aus“, so Steiner.
Die Politik habe den Praxen lange unterstellt, bei der Digitalisierung auf der Bremse zu stehen. Das Gegenteil sei jedoch der Fall: Die ambulante Versorgung stelle den mit Abstand am stärksten digitalisierten und digital vernetzten Bereich im deutschen Gesundheitswesen dar.
Steiner verwies darauf, dass man sich in den beiden zurückliegenden Klausurtagungen der KBV-Vertreterversammlung intensiv mit den Zukunftsfragen der Digitalisierung beschäftigt hat. Die in diesem Rahmen erarbeiteten Positionen und Anforderungen an den weiteren Ausbau der Digitalisierung in der Versorgung wurden von der KBV-Vertreterversammlungen mit großer Mehrheit beschlossen.
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