Politik

Keine Reisewarnung mehr für Coronarisikoländer

  • Donnerstag, 1. Juli 2021
/picture alliance, Zoonar
/picture alliance, Zoonar

Berlin – Nach mehr als einem Jahr Coronapandemie rät die Bundesregierung von heute an nicht mehr grundsätzlich von touristischen Reisen ins Ausland ab. Auch die Reisewarnung für die mehr als 80 ganz oder teilweise als Coronarisikogebiete eingestuften Staaten wird aufgehoben.

Darunter ist die gesamte Türkei sowie Urlaubsgebiete in Spanien und Kroatien. Der Schritt ist wegen der rasanten Ausbreitung der Delta-Variante brisant. Einer aktuellen Umfrage zufolge trifft er in der Bevöl­kerung auf Ablehnung.

Der zuständige Außenminister Heiko Maas verteidigt ihn aber. „Die Zeit der Pauschalbeurteilungen muss vorbei sein“, sagte der SPD-Politiker bereits vorgestern. „Dort, wo es positive Entwicklungen gibt, gibt es auch keinen Grund, Restriktionen aufrechtzuerhalten.“

Maas hatte zu Beginn der Pandemie am 17. März 2020 eine weltweite Reisewarnung für Touristen ausge­sprochen. Hintergrund war, dass damals viele Urlauber wegen der plötzlichen Kappung von Flugverbin­dungen im Ausland gestrandet waren und in einem beispiellosen Kraftakt nach Deutschland zurückge­holt werden mussten.

Im September wurde die Warnung dann auf Coronarisikogebiete mit einer Infektionszahl von mehr als 50 pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen (7-Tage-Inzidenz) beschränkt. Aber auch für alle nicht als Ri­sikogebiete eingestuften Länder riet die Bundesregierung bis gestern weiter von Urlaubsreisen ab. Damit ist jetzt Schluss. Ab heute gibt es in den Reisehinweisen des Auswärtigen Amts drei Kategorien von Län­dern.

Reisewarnung: Nur noch 40 Länder

Die Reisewarnung gilt erst ab einer Inzidenz von 200 (Hochinzidenzgebiete) und für Gebiete, in denen sich gefährliche Virusvarianten stark verbreitet haben (Virusvariantengebiete). Das sind weltweit nur 40 von rund 200 Ländern. In Europa gibt es gar keine Hochinzidenzgebiete mehr. Nur Großbri­tannien und Portugal sind derzeit noch als Virusvariantengebiet eingestuft.

Für Virusvariantengebiete gelten strenge Vorschriften bei der Wiedereinreise nach Deutschland. Dazu gehört ein umfangreiches Beförderungsverbot für Fluggesellschaften, Bus- und Bahnunter­nehmen. Sie dürfen Bundesbürger und Ausländer mit Wohnsitz in Deutschland aber zurückbringen. Für diejenigen, die einreisen dürfen, gilt eine 14-tägige Quarantänepflicht. Sie kann nicht durch einen Test verkürzt werden und gilt auch für vollständig Geimpfte und Genesene. Bei Rückreisen aus Hochinzidenzgebiete ist eine Testverkürzung möglich. Bei Einreisen aus Hochinzidenzgebieten und Virusvariantengebieten ist eine digitale Einreiseanmeldung verpflichtend.

Eine Reisewarnung des Auswärtigen Amts soll vor allem abschreckende Wirkung haben. Vor Corona wurde sie nur für Kriegs- und Krisengebiete wie Syrien, Jemen oder den Gaza-Streifen ausgesprochen. Die praktischen Auswirkungen sind aber begrenzt. Urlaubern ermöglicht die Reisewarnung vor allem eine kostenlose Stornierung von Buchungen.

„Besondere Vorsicht“: 26 Länder in Europa

Für die 26 EU-Länder außer Deutschland sowie Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz gilt folgende Regelung: Soweit sie nicht mehr als Risikogebiet eingestuft sind, wird in den Reisehinweisen des Auswärtigen Amts nur noch „um besondere Vorsicht gebeten“. Das betrifft 26 Länder. Ausnahmen sind einzelne Regionen in Spanien, Irland, Kroatien und Schweden.

Zwischen Vorsicht und Abraten: Mehr als 100 Drittstaaten

Zwischen diesen beiden Kategorien gibt es weit mehr als 100 weitere Länder außerhalb der EU, die ent­weder Risikogebiete sind oder als „risikofrei“ gelten. Soweit dort Einreisebeschränkungen oder Quaran­tänepflichten nach der Einreise bestehen, rät das Auswärtige Amt von Reisen dorthin ab. Soweit alle Ein­reisehindernisse in einem dieser sogenannten Drittstaaten aufgehoben sind, gilt nur der Rat zur beson­deren Vorsicht.

Die Entscheidung für die Neustrukturierung der Reisehinweise fiel schon vor knapp drei Wochen, als die Ausbreitung der Delta-Variante in Deutschland noch nicht so heiß diskutiert wurde. „Mit dem Sommer kehren Hoffnung und Zuversicht nach Deutschland zurück“, sagte Maas damals. Er betonte aber auch, dass es keine Einladung zur Sorglosigkeit sei. „Reisen mit Vernunft und Augenmaß, das ist das Motto dieses Sommers. Die Gefahr durch das Virus und seine Mutanten ist noch lange nicht gebannt.“

Das haben auch die letzten Wochen nach der Entscheidung gezeigt, in der mehrere Ländervertreter für striktere Kontrollen von Tests, Impf- und Genesenennachweisen eingetreten sind. In der Bevölkerung kommt die Aufhebung der Reisewarnungen für Risikogebiete auch nicht besonders gut an. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur nannten 48 Prozent diesen Schritt falsch. Nur 38 Prozent halten ihn für richtig. 14 Prozent machten keine Angaben.

Große Unterstützung gibt es dagegen mit 71 Prozent für die Testpflicht für alle Flugpassagiere bei Einreise nach Deutschland. Nur 14 Prozent meinen, sie sollte für die Länder und Regionen abgeschafft werden, die keine Risikogebiete mehr sind. Zehn Prozent sind dafür, sie ganz abzuschaffen.

Stichprobenkontrollen

Bundesinnenminister Horst Seehofer unterstrich heute, dass er in den Sommermonaten keine stationä­ren Grenzkontrollen zur Eindämmung der Pandemie einführen will. Die Kontrollen an Flughäfen durch die Bundespolizei und die Überwachung von Quarantäneverpflichtungen durch die Gesundheitsämter sollen seinen Angaben zufolge jedoch verstärkt werden.

Wer mit dem Auto einreist, sollte sich laut Seehofer auf Stichproben-Kontrollen im Grenzraum einstellen. „Wer einreist, muss damit rechnen, kontrolliert zu werden“, betonte der CSU-Politiker am Donnerstag in Berlin. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wies darauf hin, dass die Gesundheitsämter nun aufgrund gesunkener Infektionszahlen mehr Kapazitäten hätten, um die Einhaltung der Quarantäne von Reiserück­keh­rern engmaschiger zu kontrollieren.

Seehofer sagte, die Behörden in Bund, Ländern und Kommunen müssten sicherstellen, dass die Corona­regeln überall beachtet werden. Es gehe darum, den bislang erreichten Erfolg bei der Bekämpfung der Pandemie nicht zu gefährden.

Aktuell ist kein Nachbarland Deutschlands als Risikogebiet eingestuft. Bei den Stichprobenkontrollen von Autofahrern in der Nähe der Grenze gehe es beispielsweise um Reisende, die mit dem Auto aus der Türkei oder aus Großbritannien kommen. Reisende, die sich in den zurückliegenden zehn Tagen in einem Risikogebiet, Hochinzidenzgebiet oder Virusvariantengebiet aufgehalten haben, müssen vor ihrer Ankunft in Deutschland eine elektronische Einreiseanmeldung ausfüllen.

Er werde sich von einzelnen Ministerpräsidenten nicht zu stationären Grenzkontrollen drängen lassen, sagte Seehofer. Lange Staus an den Grenzübergängen gelte es zu vermeiden. Außerdem hätten gerade Landesregierungen, die solche Kontrollen forderten, während der Grenzkontrollen im vergangenen Jahr auf mehr Ausnahmen gedrungen. „Dieses Spiel legen wir nicht ein zweites Mal auf“, sagte Seehofer.

dpa

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung