KI soll medizinische Daten in der elektronischen Patientenakte automatisch strukturieren

Berlin – Künstliche Intelligenz (KI) soll medizinische Daten aus der Versorgung künftig in strukturierte Daten überführen können. Daran arbeitet eine Forschungsgruppe am Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering (IESE) in Kaiserslautern. Das Projekt habe das Potenzial, die Nutzung der elektronischen Patientenakte (ePA) auf eine neue Stufe zu heben.
Beim dreijährigen Forschungsprojekt „FHIR-Starter“ will ein Konsortium einen Softwaredienst entwickeln, der medizinische Daten mithilfe von Large Language Models (LLMs) und Natural Language Processing (NLP) aus Volltextdokumenten wie pdf-Dateien automatisch analysieren und in standardisierte Datenformate überführen kann.
Dabei sollen der europaweit verwendete medizinische Datenstandard FHIR und die Kodiersysteme LOINC und SNOMED-CT verwendet werden. Dadurch entstehe ein großes Potenzial, um Gesundheitsdaten effektiv nutzen zu können und den Datenaustausch zwischen Softwaresystemen im Gesundheitswesen zu unterstützen.
So könne das zeitintensive Lesen mehrseitiger Berichte oder das händische Übertragen wichtiger Informationen aus Befunden und Arztbriefen in die Praxisverwaltungs- oder Krankenhausinformationssysteme (PVS und KIS) von der Software übernommen werden. Zudem könnten die aus den Volltexten extrahierten Daten der Forschung leichter bereitgestellt werden.
Durch die strukturierten Daten ließe sich auch die ePA künftig vollständig und sinnvoll digitalisieren. „Mit dem Softwaredienst könnten sich Ärztinnen und Ärzte langfristig Laborwerte beispielsweise im Zeitverlauf anzeigen oder Medikamentenlisten automatisiert erstellen lassen“, erklärt die Leiterin der IESE-Abteilung Digital Health Engineering, Theresa Ahrens.
Zu dem Konsortium gehören neben dem IESE die Arbeitsgruppe von Sylvia Thun des Berliner Instituts für Gesundheitsforschung in der Charité und das Kaiserslauterner KI-Unternehmen Insiders Technologies. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWK) fördert das Projekt im Rahmen des Innovationswettbewerbs „Generative KI für den Mittelstand“ mit 1,64 Millionen Euro.
Der Softwaredienst werde offene Schnittstellen anbieten, die es Leistungserbringerinnen und Leistungserbringern, Softwareanbietern im Gesundheitswesen und Sekundärnutzern von Gesundheitsdaten ermöglichen sollen, die strukturierten Daten automatisiert in ihre Systeme aufzunehmen.
Das Konsortium sieht dabei vor allem zwei große Herausforderungen, die Sicherstellung der Verlässlichkeit der Daten und einen umfangreichen Datenschutz.
Denn KI-Modelle wie LLMs neigen dazu, nicht ausreichende Daten durch frei erfundene Informationen selbstständig zu ergänzen. Das könne in der Versorgung fatale Folgen haben. „Wenn wir große Sprachmodelle im Gesundheitswesen verantwortungsbewusst einsetzen und so deren Potenzial ausschöpfen wollen, ist es notwendig, entsprechende Sicherheitsmechanismen aufzusetzen“, betont Ahrens.
Mit der Entwicklung des sogenannten Uncertainty Wrappers – eines Tools, das Unsicherheiten in KI-Modellen quantifiziert, verwaltet und reduziert – habe das IESE dafür aber schon eine wichtige Vorarbeit geleistet, auf die es bei diesem Projekt aufbauen könne.
Die zweite Herausforderung bestehe darin, die sensiblen Daten datenschutzkonform zu verarbeiten. Marktübliche LLMs würden für gewöhnlich Server im Ausland nutzen, die den Sicherheitsanforderungen des Konsortiums jedoch nicht entsprächen.
Daher werde der zu entwickelnde Softwaredienst auf Open Source LLMs basieren, die jeweils auf den eigenen Servern der Anwender und Anwenderinnen laufen. So soll ein in sich geschlossenes und sicheres System entstehen, das darüber hinaus den Anforderungen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) entspricht.
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