Kinderärzte: Versorgung sichern durch regionale Zentren und eine ausreichende Finanzierung
Berlin – Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (bvkj) ist optimistisch, dass das angekündigte Präventionsgesetz der großen Koalition die Rolle der Ärztinnen und Ärzte in der Vorsorge stärken wird und Verbesserungen für den Nachwuchs umgesetzt werden. Das hat bvkj-Präsident Wolfram Hartmann im Anschluss an ein Gespräch im Bundesgesundheitsministerium erklärt. Er gehe davon aus, dass man Präventionsangebote der Fachgruppe für die Jugendlichen ausdehnen wolle, erklärte Hartmann.
Der bvkj kritisiert seit längerem, dass seine größeren Patienten einen Beratungsbedarf haben, der von den derzeit finanzierten Angeboten nicht gedeckt wird. So besteht bei den U-Untersuchungen eine Lücke zwischen dem sechsten und dem zehnten Lebensjahr. Deshalb fordert der Verband, einen Anspruch auf Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten und zur primären Prävention für Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr vorzusehen.
Dafür müssten das Sozialgesetzbuch V geändert und die Inhalte der Vorsorgeuntersuchungen ergänzt und modernisiert werden. Zwar bezahlen zahlreiche Krankenkassen inzwischen mehr Vorsorgeuntersuchungen als früher, wie Hartmann erläuterte. So finanziert etwa die Hälfte die J 2 für Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren. Doch über ein für alle Kassen verpflichtendes modernisiertes Angebot verhandelt noch immer der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA).
Kinderärzte kritisieren Impfmüdigkeit und zögerliche Bezahlung des neuen Impfnasensprays
Sorgen bereitet den Kinder- und Jugendärzten nach wie vor eine gewisse Impfmüdigkeit der Bevölkerung. „Die Politik bekennt sich nicht zum Impfgedanken, sie hat weder ein Impfkonzept noch eine Impfstrategie“, kritisierte Hartmann. Er findet es auch falsch, Rabattverträge für Impfstoffe zuzulassen und so durch mögliche Lieferengpässe eine Durchimpfung zusätzlich zu gefährden.
Der bvkj setzt sich zudem dafür ein, dass die Krankenkassen den nasalen Impfstoff gegen Influenza bezahlen. Die Ständige Impfkommission und der G-BA hätten diesen für Kinder zwischen zwei und sechs Jahren empfohlen. Doch derzeit kommen die Krankenkassen nach Hartmanns Darstellung vielerorts nur für einen zu spritzenden Impfstoff auf.
Der bvkj-Präsident wies darüber hinaus auf ein Positionspapier zur zukünftigen Struktur der medizinischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen hin, auf das sich der Verband gerade verständigt hat. Danach ist zwar davon auszugehen, dass es auch in zehn Jahren ähnlich viele Kinder- und Jugendärzte wie heute geben wird, und dies bei sinkenden Kinderzahlen. Doch weil junge Ärztinnen und Ärzte weniger arbeiten wollen als ihre älteren Kollegen heute, die Anforderungen in der Versorgung aber steigen, zum Beispiel durch die neuen Morbiditäten, müssen sich die Strukturen ändern.
Mit Blick auf reduzierte Arbeitszeiten und die Versorgung ländlicher Gegenden müssten neue Wege der flächendeckenden Grundversorgung gefunden werden, heißt es im Positionspapier: „Konkurrierende Einzelpraxen werden wahrscheinlich in regionale medizinische Familien-Versorgungszentren überführt werden, in denen Ärzte für Allgemeinmedizin und für Kinder- und Jugendmedizin zusammen mit nicht-ärztlichen Therapeuten vernetzt arbeiten.“
Wünschenswert sei, dass diese Zentren auch Raum zur Vernetzung „mit dem sozialen Hilfesystem und dem Bildungssystem“ böten. Auch Spezialambulanzen oder Einrichtungen des kinder- und jugendärztlichen Dienstes im Öffentlichen Gesundheitsdienst könnten im Idealfall dort untergebracht werden. Damit Kinder- und Jugendärzte grundsätzlich überall wohnortnah, das heißt in maximal 30 Minuten, zu erreichen sind, empfiehlt der bvkj Offenheit gegenüber unterschiedlichsten Versorgungskonzepten und Arbeitszeitmodellen von Kollegen.
Kostendruck belastet Kinderkliniken
Verbesserungen im stationären Bereich hat zum Tag des Kinderkrankenhauses am 21. September die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin eingefordert. Die Kinderkliniken und Fachabteilungen seien in einer schwierigen Finanzsituation wegen der Vorhaltekosten für hohe Notfallquoten, sagte der Präsident der Fachgesellschaft, Norbert Wagner. Außerdem erschwere das sehr breite Leistungsspektrum mit 400 bis 500 verschiedenen Fallpauschalen die Planbarkeit. Deshalb liege der Kostenanteil für die ständige Verfügbarkeit der stationären Leistungen bei bis zu 40 Prozent des Budgets statt bei 25 Prozent wie in der Erwachsenenmedizin.
Wagner kritisierte, dass die Krankenkassen zudem immer häufiger nicht die Klinikkosten für den Tag vor einer Operation übernähmen. Deshalb müssten selbst kleine Kinder am Tag des Eingriffs noch Anfahrten über sich ergehen lassen.
Mehr Qualitätsvorgaben für Kitas
Die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin hat zum Weltkindertag am 20. September gefordert, mehr für die Kindergesundheit zu tun. Sie hänge auffallend häufig vom sozioökonomischen Status und dem Herkunftsland der Eltern ab, kritisierte Generalsekretär Manfred Gahr. Auch er forderte ein ausreichend finanziertes Präventionsgesetz sowie ein Bundes-Qualitätsgesetz für Kindertageseinrichtungen: „Nur so ist eine echte Förderung benachteiligter Kinder möglich.“
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