Politik

Kinderamut: Politik in Rheinland-Pfalz zum Handeln aufgefordert

  • Dienstag, 31. Januar 2017

Mainz – Experten aus der Sozial- und Familienarbeit haben im rhein­land-pfälzischen Landtag unterschiedliche Akzente zur Überwindung der Kinderarmut gesetzt. Die Vor­schläge reichen von der Wiedereinführung eines Familiengelds über die Bezahlung von Erziehungsarbeit oder Vergünstigungen beim Fahrkartenkauf bis zu einem neuen Sys­tem der Grundsicherung für Kinder.

Als Sprecher der Landesarmutskonferenz forderte Pfarrer Albrecht Bähr die Abgeordne­ten eindringlich zum Handeln auf. Die Situation der betroffenen Familien sei jahrelang ana­lysiert worden, auch gebe es genug Lösungsansätze, sagte der Sprecher der Lan­des­armutskonferenz heute in Mainz. Jetzt müsse es „endlich zu strategischen Hand­lungs­ansätzen“ kommen.

Vor Mitgliedern der beiden Ausschüsse für Soziales und Integration zeigte sich Bähr be­sorgt über die Kinder in Flüchtlingsfamilien. Wenn diese nicht in den Stand versetzt wür­den, für ihren Unterhalt selbst aufkommen zu können, werde die Kinder- und Jugendar­mut weiter zunehmen. „Es fehlt uns nicht an Wissen, sondern es fehlt uns am Vollzug“, sagte Bähr.

Die Landesvorsitzende des Verbands kinderreicher Familien, Katrin Sarfert, sprach sich dafür aus, die Bedürfnisse von Mehrkindfamilien in allen Lebensbereichen stärker zu be­rücksichtigen. So sollten diese bei der Beförderung in öffentlichen Verkehrsmitteln Ver­günstigungen erhalten. Und die Landesbank ISB solle Wohnförderprogramme stärker auf kinderreiche Familien zuschneiden. „Nicht die Armen bekommen Kinder, sondern Kinderreiche werden arm“, sagte Sarfert.

Die Verteilungsforscherin Irene Becker kritisierte, dass das Kindergeld das Existenz­mini­mum nicht abdecke. Nötig sei eine „grundlegende Reform, um Kinderarmut systema­tisch zu bekämpfen und Familien in prekären Einkommensverhältnissen gezielt zu unterstüt­zen“. Kurzfristig empfiehlt sie ein einkommensabhängiges Kindergeld. Mittel- und lang­fris­tig plädiert sie für eine Kindergrundsicherung – als unbürokratisch gestaltete Absiche­rung des kindlichen Existenzminimums, die mit steigendem Familieneinkommen geringer wird. Eine solche Grundsicherung für Kinder forderte bereits 2006 auch die Liga der Freien Wohlfahrtspflege.

Nach einer Bertelsmann-Studie vom vergangenen Jahr leben in Rheinland-Pfalz 74.395 junge Menschen unter 18 Jahren in Familien, die Hartz-IV-Leistungen beziehen – 3.880 mehr als noch vier Jahre zuvor. Die Regierungsfraktionen SPD, FDP und Grüne spre­chen sich wie die CDU in getrennten Anträgen für Maßnahmen gegen Kinderarmut aus.

Während die Regierungsfraktionen vor allem Prävention und Betreuung ausbauen woll­en, setzt der Alternativantrag der CDU auf familienpolitische Direktleistungen und regt zum Beispiel an, die Wiedereinführung des Landesfamiliengelds zu prüfen. Das in diese Richtung gehende Betreuungsgeld wurde 2015 vom Bundesverfassungsgericht (Az.: 1 BvF 2/13) gekippt.

dpa

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