Initiative gegen Kinderarmut und für Chancengleichheit gestartet
Schwerin – Mecklenburg-Vorpommern ist dem Netzwerk gegen Kinderarmut zufolge nach Bremen das Bundesland mit dem höchsten Armutsrisiko für Kinder. 21,4 Prozent der Kinder leben in Hartz-IV-Familien, sagte der Vorsitzende der Deutschen Kinderhilfe, Rainer Becker, gestern in Schwerin. Jedes vierte Kind sei arm oder armutsgefährde. 35 Prozent der Arbeitnehmer im Land seien im Niedriglohnsektor beschäftigt, im Bundesschnitt seien es 20 Prozent.
Das Netzwerk aus mehreren Verbänden in Mecklenburg-Vorpommern will die Kinder- und Jugendarmut nicht länger hinnehmen und hat eine Volksinitiative gestartet. Sie fordert eine chancengleiche Entwicklung für alle. Unterschriftenlisten sollen bei Ärzten, in Apotheken, Läden und an Informationsständen etwa bei Familienfesten ausliegen. Eine Volksinitiative kann erreichen, dass sich der Landtag mit ihrem Thema befassen muss. Mindestens 15.000 Wahlberechtigte müssen unterzeichnet haben. Wenn diese Unterschriftenzahl erreicht ist, veranlasst die Landtagspräsidentin, dass die Volksinitiative in der nächstmöglichen Landtagssitzung behandelt wird.
Auch wenn Arbeitslosigkeit und Niedriglöhne eine Ursache für Kinderarmut sind, hat das Netzwerk einen anderen Ansatz: „Wir zielen auf die Bildungschancen ab“, sagte Becker. Es sei ein Unding, dass im Bildungs- und Teilhabepaket die Förderung höherer Schulabschlüsse nicht vorgesehen sei. Das Netzwerk will, dass auch Kinder aus benachteiligten Familien Abitur machen und studieren und sich so aus den Verhältnissen ihrer Eltern lösen können, erläuterte er.
Mit der Volksinitiative werde der Landtag aufgefordert, sich bei der Landesregierung für mehr Fachkräfte in Kitas einzusetzen und die Betreuung für Eltern kostenfrei zu machen. Kostenfreie außerschulische Angebote durch Vereine und Initiativen sollten gefördert werden. Vor allem aber müsse die Kinder- und Jugendarbeit im Land mit einer Grundförderung ausgestattet werden.
Der Vorstandssprecher des Landesjugendringes, Fabian Scheller, sagte, in der Kinder- und Jugendarbeit gehe es immer mehr hin zu Projektfinanzierungen. „Wir sagen: Kinder- und Jugendarbeit muss als Pflicht gesehen werden, nicht als freiwillige Aufgabe, und nicht nur in den Städten, sondern auch auf dem Lande.“
Die zunehmende Projektförderung aus dem Europäischen Sozialfonds und dem Bildungs- und Teilhabepaket mache eine langfristige Planung unmöglich, verdeutlichte Scheller. „Projektförderung kann nur on top sein, aber nicht die einzige finanzielle Grundlage auf Dauer.“ Becker ergänzte, der Staat fördere teilweise über Jahre sogenannte Modellprojekte, „nur um jemanden nicht fest einzustellen und Verantwortung zu übernehmen“. Die Landesregierung sollte zur Kinder- und Jugendsozialarbeit und deren Finanzierung eine Konzeption erarbeiten und dem Landtag vorlegen.
Sozialministerin Stefanie Drese (SPD) sagte, die grundsätzlichen Ziele der Landesregierung und der Volksinitiative seien sehr ähnlich. So habe die Verbesserung der Kindertagesförderung seit Jahren oberste Priorität der Landesregierung mit deutlich steigenden Haushaltsmitteln wie einem Plus von 137 Prozent seit 2007. Die Eltern würden um bis zu 50 Euro pro Monat entlastet. Die Ministerin bot den Jugendverbänden Dialog und Zusammenarbeit an.
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