Kinderschutz: Hartmannbund warnt vor Aufweichung der Schweigepflicht

Berlin – In Fällen von Kindesmisshandlung sieht der Hartmannbund keine Notwendigkeit, die ärztliche Schweigepflicht weiter zu lockern. Ärzte könnten bereits jetzt rechtssicher Anzeige erstatten oder sich konsiliarisch mit Kollegen beraten. Das sagte der stellvertretende Bundesvorsitzende des Hartmannbunds und Vorsitzende des Landesverbandes Nordrhein, Stefan Schröter, dem Deutschen Ärzteblatt.
Er reagierte damit auf Äußerungen des gesundheitspolitischen Sprechers der CDU-Fraktion im Landtag von Nordrhein-Westfalen, Peter Preuß. Dieser hatte kürzlich in Düsseldorf angedeutet, eine „Ausnahmeregelung“ schaffen zu wollen, wonach Ärzte auch bei einem vagen Verdacht auf eine Misshandlung das Jugendamt oder die Polizei informieren dürften.
Bestehende Gesetze würden Ärzten jedoch bereits die Möglichkeit geben, ihre Schweigepflicht zu brechen, um schwere Straftaten wie Kindesmisshandlungen zu verhindern, sagte Schröter, der auch Mitglied des Vorstands der Landesärztekammer Nordrhein ist.
Im Rahmen eines „rechtfertigenden Notstands“ (Paragraf 34 Strafgesetzbuch) könne ein Arzt seine Schweigepflicht höherwertigen Rechtsgütern unterordnen. Im Fall einer konkret geplanten schwerwiegenden Straftat gebe es sogar eine Offenbarungspflicht, erklärte Schröter weiter.
„Die Verfolgung vergangener Straftaten ist aber nicht der primäre Anlass einer Anzeige durch einen Arzt und auch keine ärztliche Aufgabe“, sagte er. Hingegen sei es ärztliche Pflicht, zukünftigen Schaden vom Kind abzuwenden.
Zudem berge eine aufgeweichte Schweigepflicht auch Gefahren: Eine Hemmschwelle für Eltern, ihre Kinder ärztlich vorzustellen – aus Angst vor eventueller Strafverfolgung. „Dann würden Diagnosen nicht gestellt, und es blieben Verletzungen und Erkrankungen unerkannt und unbehandelt“, erläuterte er. Damit werde dem Kind in keiner Hinsicht geholfen.
Unsicherheit mit Aufklärung bekämpfen
Für die Unsicherheit mancher Ärzte über die rechtlichen Grundlagen, hat Schröter Verständnis. Aber statt einer Gesetzesänderung würde seiner Meinung nach Aufklärung helfen. „Mir ist kein einziger Fall bekannt, in dem ein Arzt nach einer Anzeige eines vermuteten Kindesmissbrauchs strafrechtlich verfolgt wurde“, sagte er.
Im Verdachtsfall sei eine umfassende Dokumentation wichtig. Mindestens brauche es detaillierte schriftliche Beschreibungen, besser noch Fotos, sagte Schröter, der den Verdacht auf Kindesmisshandlungen aus der eigenen dermatologischen Praxis kennt. Dabei sollte auch immer das Verhalten der Eltern genau beobachtet und in die Dokumentation aufgenommen werden.
Nicht zuletzt müssten möglichst viele soziale Faktoren in eine Entscheidung über eine Anzeige mit einfließen, erklärte Schröter. Besonders die Frage, ob ein Wiederholungsrisiko bestehe, sei entscheidend.
Der Kontakt zu erfahrenen Kollegen könne dann bei der konkreten Entscheidung helfen. Dabei bleibe im Rahmen eines Konsils auch die Schweigepflicht gewahrt, ergänzte er. Alternativ können sich Ärzte in einem der 31 Kinderschutzzentren in Deutschland beraten lassen. Dann müssen die Patientendaten pseudonymisiert werden.
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