Ärzteschaft

Kindesmisshandlung: Ärzte müssen Befunde sorgfältig dokumentieren

  • Dienstag, 4. Februar 2014

Berlin - Die Zahl der gewaltbedingten Körperverletzungen und Todesdelikte infolge von Misshandlungen in Deutschland ist erschreckend hoch. Deshalb haben sich die Verbände und Körperschaften dafür engagiert, die Öffentlichkeit über diese unerträg­lichen Missstände aufzuklären. Ärzte und Zahnärzte sollten Verdachtsmomenten nachgehen, um sich nicht den Vorwurf einer „Kultur des Wegschauens“ auszusetzen, hieß es beim Presseseminar des Freien Verbands Deutscher Zahnärzte (FVDZ) in Berlin.

In Berlin berichtete der Arzt und Zahnarzt Claus Grundmann, Sekretär des Arbeitskreises für Forensische Odonto-Stomatologie am Institut für Rechtsmedizin, Klinikum Duisburg, dass die Ärzte und Zahnärzte in der Verantwortung sind, einem kollektiven Verleugnen von Gewaltakten und Kindesmisshandeln, einer kollektiven Blockade und einem Versagen des Staates und der Behörden beim Kinderschutz entgegenzuwirken.

Die Polizeistatistik: Jährlich werden 160 bis 180 Kinder durch Misshandlung getötet, drei pro Woche. Die Dunkelziffer ist relativ hoch, eins zu eins vermuten die Kriminologen. 3.600 bis 4.000 Minderjährige, oft sehr kleine Kinder, werden krankenhausreif geschla­gen. Auf einen Fall, der bei der Polizei angezeigt oder auch von Therapeuten weiterge­meldet wird, kommen nach Schätzungen 50 bis 400 ähnlich schwere Fälle von Misshand­lungen, die nicht angezeigt werden.

Nach einer Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erleiden etwa 35 Prozent aller Frauen weltweit körperliche, psychische und sexuelle Gewalt. Häufig sind die Täter im häuslichen Umfeld zu suchen, bei Misshandlung von Kindern fast immer die Eltern oder nahe Verwandte. Zwei Drittel der betroffenen Frauen haben nach der WHO-Studie schwere bis sogar lebensbedrohliche Gewaltanwendungen erlebt.

Die Misshandlungen von Kindern durch ihre Eltern und Verwandten würden vielfach zu spät wahrgenommen. Auch Ärzte hegten oftmals nur sporadisch Verdachtsmomente und würden zu spät aktiv, und die Vorfälle passierten oft, obwohl die Kinder oftmals in sozial und gesellschaftlich geschädigten Familien durch Familien- und Jugendämter oder durch freie Träger betreut würden.

Grundmann rügte, dass auch Staatsanwälte und Richter bei den Vorfällen überwiegend ahnungslos und deshalb in ihren Aktivitäten wie gelähmt seien. Der Referent berichtete: Die gesundheitlichen Konsequenzen reichen von Verletzungen mit teilweise funktioneller Beeinträchtigung und oftmals sogar dauerhaften Behinderungen über die Entwicklung gesundheitsgefährdender Verhaltensmuster wie Rauchen sowie Alkohol und Drogenmissbrauch bis hin zu psychischen und psychosomatischen Defiziten und Folgen.

Sorgfältige Dokumentation wichtig
Eine sorgfältige Dokumentation der durch eine Gewalteinwirkung entstandenen patholo­gischen Befunde durch die als erste konsultierten Ärzte und Zahnärzte ist besonders wichtig, weil die Spuren der Gewalteinwirkung oftmals nach kurzer vergänglich oder meist nur für kurze Zeit in voller Ausprägung wahrnehmbar sind. Die Ärzte sollten zusätzlich zur schriftlichen Befunderhebung und Fotodokumentation eine Röntgendiagnostik und eine Abdrucknahme der Kiefer durchführen.

Zur Wahrung von Rechtsgütern kann der Arzt – bei dringendem Verdacht auf eine Straftat (Körperverletzung) – (die Kriminal-)Polizei informieren. Es wird allerdings davon abgeraten, dass die aufgesuchten Ärzte und Zahnärzte auf eigene Faust interpretieren oder den Behandlungsverdacht juristisch bewerten und ihre Befunde kommentiert weitergeben.

Befundbogen im Internet
Die rechtliche Bewertung von Verletzungen sollten ausschließlich der rechtsme­dizinischen Untersuchung und Begutachtung vorbehalten bleiben. Eine fehlerhafte Einschätzung und Interpretation durch den Arzt/Zahnarzt könnte sonst negative bis verheerende Wirkungen nach sich ziehen. Um verdächtige Befunde zeitnah zu erfassen, haben die Zahnärztekammern und die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen Nordrhein und Westfalen-Lippe einen Befundbogen „Forensische Zahnmedizin“ herausgegeben, der auch vom Deutschen Kinderschutzbund und Arbeitskreis Forensische Stomatologie unterstützt wird.

Das vierseitige Formular enthält Angabenfelder zu Verletzungsmustern und Freiflächen für individuelle Befunde. Auch die Bundeszahnärztekammer liefert per Internet Informationen zum Thema und auf Abruf einen Dokumentations- und Anamnesebogen.

HC

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