Medizin

Koffein kann Wirksamkeit von Bluttransfusionen beeinträchtigen

  • Montag, 8. September 2025
/thomsond, stock.adobe.com
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Aurora – Koffein, die weltweit am häufigsten konsumierte psychoaktive Substanz, könnte die Qualität von Blutspenden und die Effektivität von Transfusionen beeinträchtigen. Das legt zumindest eine groß angelegte Studie des Anschutz Medical Campus der University of Colorado nahe, die jetzt in Haematologica (2025; DOI: 10.3324/haematol.2025.288332) erschienen ist.

Die Forschenden analysierten Daten von mehr als 13.000 Blutspenderinnen und -spendern. Dabei fanden sie einen Zusammenhang zwischen hohen Koffeinspiegeln und roten Blutkörperchen, die während der Lagerung anfälliger für Schäden waren und nach Transfusion schlechter wirkten.

In klinischen Daten äußerte sich dies in einem geringeren Anstieg des Hämoglobinspiegels und stärkeren Anzeichen von Hämolyse bei den Empfängerinnen und Empfängern. Besonders betroffen waren Personen mit häufigen Varianten des ADORA2b-Gens, das den Stoffwechsel der Erythrozyten unter Sauerstoffmangel reguliert.

Um diese Zusammenhänge zu untersuchen, nutzte das Team die Daten der groß angelegten REDS RBC-Omics-Studie. Darin wurde der Koffeingehalt in Erythrozytenkonserven bestimmt und mit Stoffwechselprofilen, Lagerstabilität und klinischen Transfusionsergebnissen in Verbindung gebracht.

Ergänzend erhielten 8 gesunde Freiwillige eine Tasse Kaffee, um die kurzfristigen Effekte auf Blutwerte zu messen. Mechanistische Analysen führten die Forschenden zudem in Mausmodellen mit ausgeschaltetem ADORA2b-Rezeptor durch und konnten in Enzymtests zeigen, dass Koffein die Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase (G6PD) direkt hemmt.

Koffein wirkt auf rote Blutkörperchen

„Wir wissen seit Langem um die Auswirkungen von Koffein auf das Gehirn und das zentrale Nervensystem, aber dies ist die erste groß angelegte Studie, die seinen Einfluss auf die Biologie der roten Blutkörperchen nachweist“, wird Angelo D'Alessandro, Professor für Biochemie an der University of Colorado School of Medicine und leitender Autor der Studie, in einer Mitteilung zitiert.

„Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass etwas so Alltägliches wie die morgendliche Tasse Kaffee wichtige Auswirkungen auf die Qualität von gelagertem Blut und dessen Wirksamkeit bei der Transfusion an Patientinnen und Patienten haben könnte“, so D'Alessandro.

Verzicht auf Kaffee vor der Blutspende

Die Autorinnen und Autoren betonen, dass Koffein ein veränderbarer Faktor sei. „Angesichts der kurzen biologischen Halbwertszeit von Koffein könnten vorübergehende Ernährungsumstellungen rund um den Zeitpunkt der Blutspende dessen negative Auswirkungen mildern, was im Einklang mit den Blutspenderrichtlinien in mehreren europäischen Ländern steht, in denen Spenderinnen und Spendern empfohlen wird, die Koffeinaufnahme vor der Spende zu begrenzen“, heißt es dazu in der Studie.

Umgekehrt werde in anderen Regionen, wie beispielsweise den Vereinigten Staaten oder Italien, der Koffeinkonsum vor einer Blutspende nicht aktiv abgelehnt und aufgrund seiner bekannten positiven akuten Auswirkungen auf den Blutdruck sogar implizit gefördert, da er den Spendenprozess beschleunige und vasovagale Reaktionen reduzieren könne, heißt es in der Arbeit weiter. In Deutschland heißt es bei einigen Blutspendediensten, darunter etwa beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) Baden-Württemberg, dass Kaffee in Maßen vor der Spende erlaubt sei.

Koffein vor dem Spenden hat auch Vorteile

Die Studie verdeutlicht damit die Ambivalenz von Koffein im Kontext der Blutspende. „Tatsächlich kann eine moderate Koffeinaufnahme vorübergehend den Blutdruck und den Gefäßtonus der Spenderin oder des Spenders erhöhen, was den venösen Zugang und die Effizienz der Blutentnahme erleichtert“, schreiben die Autorinnen und Autoren.

Dieser Vorteil müsse jedoch gegen die leicht harntreibenden Eigenschaften von Koffein abgewogen werden, die Spenderinnen und Spender für Dehydrierung prädisponieren könnten – ein bekannter Risikofaktor für unerwünschte Ereignisse im Zusammenhang mit der Spende und eine schlechtere Durchblutung während der Entnahme.

Darüber hinaus geben die Ergebnisse Einblicke in andere Bereiche der Medizin. Koffein hemmt sowohl den ADORA2b-Signalweg als auch das Enzym Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase (G6PD), was den oxidativen Stress in Erythrozyten verstärkt. Dies könnte erklären, warum Koffein auch leistungssteigernde Effekte im Sport entfaltet.

„Interessanterweise haben wir kürzlich entdeckt, dass Mäuse mit G6PD-Mangel eine verbesserte Belastungstoleranz aufweisen“, erklärt Travis Nemkov, Mitautor der Studie, dazu. „Diese Ergebnisse veranschaulichen, wie Erkenntnisse aus der Transfusionsmedizin unser Verständnis der Sportphysiologie und weiterer Aspekte der menschlichen Gesundheit bereichern können.“

Lebensstilmerkmale künftig berücksichtigen

Die Forschenden schlagen vor, in Zukunft nicht nur Blutgruppen, sondern auch genetische Faktoren und Lebensstilmerkmale wie Koffeinkonsum stärker in die personalisierte Transfusionsmedizin einzubeziehen.

Zugleich weisen sie auf Limitationen ihrer Arbeit hin: Die beobachteten Effekte auf die Transfusionsergebnisse seien zwar konsistent, aber insgesamt moderat. Zudem basierten die Proben auf einer Kohorte, die bereits vor fast 10 Jahren erhoben wurde. Auch seien die Interventionsstudien am Menschen klein und ohne koffeinnaive Teilnehmende durchgeführt worden, was die Generalisierbarkeit einschränkt. Schließlich sei unklar, wie stark sich die Ergebnisse auf G6PD-defiziente Personen übertragen lassen, da hier in vitro keine zusätzliche Anfälligkeit nachweisbar war.

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