Medizin

Kongenitales Zikasyndrom: Sterberisiko bleibt in den ersten Lebensjahren deutlich erhöht

  • Donnerstag, 24. Februar 2022
/sveta, stock.adobe.com
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London – Pränatale Infektionen mit dem Zikavirus, das anders als SARS-CoV-2 die Plazenta passiert, enden häufig tödlich. Von den Kindern, die in Brasilien von einem Patientenregister erfasst wurden, ist laut einer Analyse im New England Journal of Medicine (2022; DOI: 10.1056/NEJMoa2101195) fast jedes 8. Kinder vor dem 3. Geburtstag gestorben.

Brasilien war 2015/16 mit am stärksten von der Zikaepidemie betroffen. Unter den schätzungsweise 1,5 Millionen Infizierten waren 3.308 Kinder, die mit einem kongenitalen Zikasyndrom geboren wurden. Das auffälligste Zeichen war eine Mikrozephalie als Folge einer Entwicklungsstörung der Großhirnrinde (kortikale Atrophie).

Zum Phänotyp gehörten aber auch funktionelle Beeinträchtigungen wie eine Dysphagie oder Folgeer­kran­kungen, etwa eine Epilepsie, die sich erst in den ersten Lebensjahren bemerkbar machen und die Überlebenschancen der Kinder verringern können.

Enny Paixao Cruz von der London School of Hygiene & Tropical Medicine ist zusammen mit Kollegen aus Brasilien dem Schicksal der 3.308 Kinder nachgegangen, die im nationalen Geburtsregister SINASC als Zikasyndrom erfasst wurden.

Der Abgleich mit dem Sterberegister ergab, dass 398 Kinder (12 %) in den ersten 3 Lebensjahren gestor­ben sind. Im Vergleich zu den 11,4 Millionen im gleichen Zeitraum geborenen Kindern, von denen 120.629 (1 %) starben, ergibt dies eine 11,3-fach erhöhte Sterberate (95-%-Konfidenzintervall 10,2 bis 12,4).

Die Kinder mit kongenitalem Zikasyndrom wurden häufig zu früh (20 % Frühgeborene) oder mit einem zu niedrigen Geburtsgewicht (36 % „Small for gestational age“, SGA) geboren. Anders als zu erwarten war, hatten Frühgeborene und SGA-Geburten nicht das höchste Sterberisiko.

Die höchste relative Mortalitätsrate fanden Cruz und Mitarbeiter bei termingerecht geborenen Säuglin­gen, die in den ersten 3 Lebensjahren 14,3-fach (12,4 bis 16,4) häufiger starben als nicht erkrankte Kin­der.

Der Tod trat auch nicht, wie man annehmen könnte, am häufigsten in der Neonatalperiode (erste 28 Tage nach der Geburt) auf. Die relative Mortalitätsrate betrug hier 7,2 (6,2-8,4). Deutlich häufiger starben die Kinder in der Postneonatalperiode (29. Tag bis 1. Geburtstag) mit einer relativen Mortalitätsrate von 17,4 (14,9-20,3) und zwischen dem 1. und 3. Geburtstag mit einer relativen Mortalitätsrate von 21,9 (17,3-27,6).

Als Todesursachen wurden im Sterberegister am häufigsten Infektionskrankheiten, Erkrankungen des Nervensystems und angeborene Anomalien angegeben. Die häufigsten spezifischen Ursachen waren Sepsis, Hydrozephalus und Mikrozephalie.

Die Forscher fanden übrigens keinen statistisch signifikanten Unterschied zwischen dem Sterberisiko von Kindern mit und ohne Mikrozephalie. Das bekannteste Merkmal des Zikasyndroms bedeutet deshalb für die Kinder kein zusätzliches Risiko, wobei sich die Forscher aufgrund der geringen Fallzahlen hier jedoch nicht ganz sicher sind.

Sicher erscheint dagegen, dass die Gefahr nach dem Ende der Zikavirusepidemie von 2015/2016 nicht gebannt ist. Das Virus ist in den subtropischen Regionen weiter vorhanden und kann jederzeit von der ägyptischen Tigermücke (Aedes aegypti) übertragen werden. Zuletzt hatte es im Juli 2021 im indischen Bundesstaat Kerala einen Ausbruch mit fast 100 Erkrankungen gegeben.

rme

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