Konsequenzen aus der Coronapandemie für die Sepsisbekämpfung
Berlin – Internationale Fachgesellschaften rufen dazu auf, die Lehren aus der Pandemie auch für den Kampf gegen Sepsis zu nutzen.
„Die Maßnahmen, die im Rahmen der COVID-19-Pandemie ergriffen wurden, könnten auch die globale Krankheitslast durch Sepsis verringern“, schreiben die Global Sepsis Alliance (GSA), die European Society for Intensive Care Medicine (ESICM) und die Society for Critical Care Medicine (SCCM) in der Fachzeitschrift Intensive Care Medicine (2021; DOI: 10.1007/s00134-021-06409-y). Die deutsche Sepsis-Stiftung unterstützt diesen Aufruf.
„Das gemeinsame Kennzeichen einer Sepsis ist, dass eine überschießende Immunantwort des Körpers auf eine Infektion die eigenen Organe schädigt“, erläutert der Initiator dieses Aufrufs, Konrad Reinhart, Vorstandsvorsitzender der Sepsis-Stiftung und Senior Professor an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Dies könne zu einer schweren Funktionsstörung der Lunge, der Niere, des Herz-Kreislaufsystems oder des Gerinnungssystems führen.
Rund 85 % der Menschen, die einen schweren COVID-19-Verlauf erleiden, zeigen laut den Fachgesellschaften die typischen Zeichen einer Sepsis. „Das Versagen mehrerer lebenswichtiger Organe ist die Hauptursache für die hohen Sterberaten bei COVID-19 und Sepsis durch andere Erreger“, so Reinhart.
Ermutigend ist laut den Autoren die Tatsache, dass in einer Reihe von Studien bei schwer an COVID-19 Erkrankten die medikamentöse Hemmung des Immunsystems zu einer Reduzierung der Sterblichkeit, der Aufenthaltsdauer im Krankenhaus und der Sepsisfolgen führte. In dem Aufruf fordern sie daher, die klinische Forschung auf diesem Gebiet auszubauen. Die innovativen Therapieansätze, die hier entwickelt wurden, könnten sich auch bei der Behandlung von schweren Infektionen und Sepsis aus anderen Ursachen als effektiv erweisen, hoffen sie.
In dem Statement machen die Autoren auch deutlich, dass Überlebende von COVID-19 sehr häufig und in ähnlicher Weise wie Patienten, die eine Sepsis überlebt haben, unter schwerwiegenden körperlichen, psychischen und kognitiven Langzeitfolgen leiden.
„Für diese Menschen fehlen derzeit interdisziplinäre und sektorenübergreifender Behandlungs- und Rehabilitations- sowie Forschungskonzepte, die für andere schwerwiegende Erkrankungen wie Schlaganfall und Herzinfarkt gut etabliert sind“ so Reinhart.
In Deutschland sterben laut der Stiftung mindestens 75.000 Menschen jedes Jahr an einer Sepsis, bis zu 20.000 dieser Todesfälle gälten als vermeidbar. Die Sepsis-Stiftung fordert daher seit Jahren, das Thema weit oben auf die politische Agenda zu setzen und einen Nationalen Sepsisplan zu etablieren.
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