Korruption im Gesundheitswesen: Experten sehen Regelungslücken

Berlin – Die Fraktionen im deutschen Bundestag und Experten aus verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens sind sich einig darin, dass es im Kampf gegen Korruption Regelungslücken gibt. Unterschiedliche Auffassungen bestehen jedoch darüber, ob, wie von der Opposition gefordert, eigene Straftatbestände geschaffen werden müssen oder, wie es die Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP befürwortet, Regelungen im Sozialgesetzbuch (SGB) V getroffen werden sollten.
Sollte der Gesetzgeber strafrechtliche Regelungen einführen, dürften diese nur als letztes Mittel angewendet werden, nämlich dann, wenn alle anderen Sanktionsmöglichkeiten des Zivil- und Verwaltungsrechts oder auch des Berufsrechts nicht mehr ausreichten. Das erklärte Marlis Hübner von der Bundesärztekammer am Mittwoch in einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses. Deshalb, so Hübner, dürften mit einem Straftatbestand auch nur besonders sozialschädliche korruptive Verhaltensweisen unter Strafe gestellt werden.
Außerdem forderte die Juristin, dass strafrechtliche Regelungen, wenn sie denn eingeführt würden, für alle „Player“ im Gesundheitswesen gleichermaßen gelten müssten, also für Leistungserbringer ebenso wie für Hersteller von Arzneimitteln und Medizinprodukten oder Krankenkassen. Skeptisch zeigte sich Hübner gegenüber neuen Sanktionsmöglichkeiten bei Korruption im SGB V. Davon wären nur diejenigen betroffen, die Teil des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung seien. Das Fehlverhalten beispielsweise von Privatärzten könne dann auch weiterhin nicht geahndet werden.
Erwünschte Zusammenarbeit teilweise schwer von Korruption abzugrenzen Stefan Gräf von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) stellte klar, dass das Arzt-Patient-Verhältnis geschützt werden müsse. Das Vertrauen der Patienten darauf, dass ärztliche Entscheidungen allein aus medizinischen Gründen getroffen würden, dürfe nicht erschüttert werden. Gräf wies jedoch auch auf die zum Teil schwierige Abgrenzung von erwünschter Zusammenarbeit und korruptivem Verhalten hin.
So gebe es etwa bei Ärztenetzen oder integrierten Versorgungsmodellen Absprachen über die Aufteilung der Vergütung. Gräf wehrte sich zudem gegen den Vorwurf, das Berufsrecht sei im Kampf gegen die Korruption ein stumpfes Schwert: „Berufsrechtliche Sanktionen wie ein Entzug der Zulassung können einschneidender sein als die Verurteilung zu einer Geldstrafe.“
Ähnlich wie die KBV betonte Andreas Wagner von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), angstfreie Kooperation müsse auch dort möglich sein, wo Geld und Waren flössen. Das sei Teil der Marktwirtschaft. Ansonsten wertete er den Vorstoß der Opposition als Schritt in die richtige Richtung. Im Krankenhaus seien Bestechung und Bestechlichkeit von Ärztinnen und Ärzten bereits strafbewehrt. Das müsse auf alle ausgeweitet werden. „Es muss für alle der gleiche Strafrahmen gelten“, sagte Wagner.
„Wir haben und wollen Zusammenarbeit im Gesundheitswesen“, erklärte auch Gernot Kiefer vom GKV-Spitzenverband. „Deshalb brauchen wir eine verbindliche Rechtsnorm.“ Kiefer begrüßte es, dass die Beteiligten inzwischen darüber diskutierten, ob Regelungen gegen korruptives Verhalten im SGB V oder im Strafgesetzbuch geschaffen werden müssten.
„Vor Wochen haben wir noch darüber gestritten, ob überhaupt eine Regelung notwendig ist“, so Kiefer. Im Gegensatz zu BÄK und KBV hält er die Sanktionsmöglichkeiten der ärztlichen Körperschaften für nicht ausreichend. „Zurzeit ist es weitgehend unmöglich, Sanktionen durchzusetzen“, meinte Kiefer. Um Verstöße zu ahnden, benötige man Beweise: „Aber wir sind nicht mit Befugnissen zu Ermittlungen ausgestattet.“
Zum Ausmaß der Korruption im Gesundheitswesen sagte Christiane Fischer von der Initiative Mezis („Mein Essen zahl ich selbst“): „Es ist eine Minderheit, aber das Ausmaß ist beträchtlich.“ Schätzungen zufolge entstehe dem Gesundheitswesen durch Korruption jährlich ein Schaden von rund 15 Milliarden Euro.
Vorschlag der Regierung blieb außen vor
Gegenstand der Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestages waren drei Anträge der Opposition: „Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen unter Strafe stellen“ von der SPD (Drucksache 17/12213), „Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidungen sichern – Korruptives Verhalten effektiv bekämpfen“ der Linken (17/12451) sowie „Korruption im Gesundheitswesen strafbar machen“ der Grünen (17/12693).
Der Vorschlag der Regierungskoalition, der die Einführung einer Strafvorschrift im SGB V vorsieht, war nicht Gegenstand der Anhörung. Hintergrund der Gesetzesinitiativen ist ein Urteil des Bundesgerichtshofs von Juni 2012. Das Gericht hatte festgestellt, dass niedergelassene Vertragsärzte nach der gegenwärtigen Gesetzeslage wegen Bestechlichkeit und Vorteilsannahme strafrechtlich nicht verfolgt werden können.
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