Politik

Krankenhausreform könnte Zahl der Betten um 25 Prozent reduzieren

  • Donnerstag, 27. Juni 2024
/N F, peopleimages.com, stock.adobe.com
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Berlin – Die Autoren des Krankenhaus Rating Reports gehen davon aus, dass die derzeit von Bund und Ländern geplante Krankenhausreform die Krankenhausstruktur in Deutschland deutlich verändern wird.

Mit den Mitteln des Transformationsfonds könnte die Krankenhauslandschaft so umgebaut werden, dass die Zahl der Standorte um 184 beziehungsweise um elf Prozent abnimmt, heißt es in dem Report, der heute in Berlin auf dem Hauptstadtkongress vorgestellt wurde.

Die Bettenzahl würde dabei um 25 Prozent zurückgehen. Die Autoren gehen davon aus, dass dieses Zielbild im Laufe der 2030er-Jahre erreicht werden könnte.

Der Krankenhaus Rating Report wird vom RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und der Institute for Healthcare Business GmbH (hcb) in Kooperation mit der Bank im Bistum Essen (BIB) erstellt. Er fußt auf der Analyse von 488 Jahresabschlüssen von Krankenhäusern aus dem Jahr 2021 und 489 Abschlüssen aus dem Jahr 2022.

Viel weniger Basisversorger mit Notaufnahme

Für ihre Prognose unterteilten die Autoren des Reports die Krankenhäuser des Landes in unterschiedliche Versorgungsstufen, die die Regierungskommission Krankenhaus Ende 2022 vorgeschlagen hatte.

Die Zahl der Level-3-Kliniken, die eine umfassende Versorgung erbringen, könnte infolge der Krankenhaus­reform um 14 Prozent von 164 auf 187 Krankenhäuser ansteigen. Die Zahl der Level-2-Kliniken, die eine erweiterte Versorgung erbringen, könnte um 33 Prozent von 261 auf 348 zunehmen.

Die Zahl der Level-1n-Kliniken, die eine Basisversorgung mit Notaufnahme anbieten, würde von 648 auf 350 sinken. Dafür würden 348 Kliniken des Levels 1i, die eine sektorenübergreifende Versorgung erbringen sollen, neu eingerichtet. Die meisten Fachkliniken sollen erhalten bleiben.

Nach Gesprächen zwischen Bund und Ländern wurde die Level-Einteilung allerdings nicht in den Entwurf des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG) aufgenommen. Das KHVVG wurde heute in erster Lesung im Bundestag diskutiert.

Bau von Zentralkliniken

„In vielen Regionen besteht Potenzial, mehrere kleine Kliniken zu einem neuen größeren Klinikum zusammen­zulegen und dabei einen Ort zu wählen, der für die Bevölkerung gut erreichbar ist“, heißt es im Krankenhaus Rating Report. „Der Transformationsfonds aus dem KHVVG soll besonders für den Bau solcher Zentralkliniken Investitionsmittel zur Verfügung stellen.“ Altstandorte könnten in vielen Fällen weiter für die Gesundheitsver­sorgung genutzt werden.

Die Autoren des Reports gehen davon aus, dass etwa 40 Milliarden Euro benötigt werden, um die Neubauten sowie Anbauten im Rahmen der Zentralisierung zu finanzieren – insbesondere Level-2-Kliniken. „Die Kosten für die Umwandlung von alten Standorten zu Level-1i-Kliniken könnten sich auf sieben Milliarden Euro belaufen und die Kosten für die Schließung von nicht mehr benötigten Standorten auf fast zwei Milliarden Euro“, heißt es im Report.

„Der Transformationsfonds wäre damit fast vollständig ausgeschöpft.“ Im KHVVG ist für den Fonds eine Summe von 50 Milliarden Euro vorgesehen, die nach derzeitigen Plänen hälftig von der gesetzlichen Krankenversi­cherung und von den Bundesländern aufgebracht werden soll.

Umstrukturierung verbessert Wirtschaftlichkeit

Nach der erfolgten Umstrukturierung der Krankenhauslandschaft könnten sich dann aber die Einnahmen der Krankenhäuser erhöhen. „Da durch die Umstrukturierung größere Kliniken entstünden, könnte damit auch die Wirtschaftlichkeit verbessert werden“, schreiben die Autoren des Reports. „Entsprechend könnte das aggregier­te Jahresergebnis aller Krankenhäuser im Zielbild um mehr als eine Milliarde Euro höher ausfallen als im Status quo.“

Mit neuen Strukturen und bei reduzierten Kapazitäten könne zusätzlich auch der jährliche Investitionsbedarf zum Erhalt der Substanz kleiner ausfallen, je nach Annahmen um 355 bis 670 Millionen jährlich. Darüber hinaus könne bei den Neubauten im Rahmen der Zentralisierung zunächst auf Bestandsinvestitionen verzich­tet werden, was ebenfalls positiv zu Buche schlage.

Wegfall der Hilfszahlungen

Der Krankenhaus Rating Report stellt jedes Jahr die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser im vorvergange­nen Jahr dar. Demnach war die Ertragslage 2022 ähnlich wie im Vorjahr: Etwa 30 Prozent der Krankenhäuser schrieben auf Konzernebene einen Jahresverlust. Dabei verschlechterte sich die Ertragslage 2022 im Vergleich zum Vorjahr bei allen Trägerformen. Besonders hoch fiel diese Verschlechterung bei freigemeinnützigen Häusern aus.

„Maßgeblich für die schlechtere wirtschaftliche Lage der Kliniken war der Wegfall von Hilfszahlungen wie der Coronahilfe, den Energiehilfen und dem Härtefallfonds“, erklärte Boris Augurzky vom RWI, einer der Autoren des Reports. „Diese Hilfe haben die Lage der Krankenhäuser zuvor stabilisiert. Wenn sie nun wegfallen, geht es bergab. Das spüren viele Krankenhäuser jetzt.“

Bettenauslastung bleibt niedrig

Weiterhin gering sei auch die Auslastung der Krankenhausbetten, wenngleich sie zuletzt wieder angestiegen sei. 2019 lag die Bettenauslastung dem Report zufolge bei 77,2 Prozent, 2020 bei 67,3 Prozent. Bis 2023 ist sie auf prognostizierte 70,6 Prozent wieder angestiegen.

„Das sind aber noch 11,4 Prozent weniger als 2019“, sagte Augurzky. Der Case-Mix-Index, der die Fallschwere angibt, liege jedoch nur 5,4 Prozent niedriger als 2019. „Die einfachen Fälle landen also nicht mehr im Kranken­haus“, so Augurzky.

Die Autoren des Krankenhaus Rating Reports gehen davon aus, dass die Fallzahl 2024 noch einmal zunehmen wird. Mittelfristig werde sie aber infolge der zunehmenden Ambulantisierung und trotz der Alterung der Gesellschaft weiter sinken.

Vor allem Freigemeinnützige von Insolvenzen betroffen

Im Report wurden 47 Krankenhausinsolvenzen zwischen dem Juni 2022 und dem März 2024 genauer unter­sucht. Zwei Drittel dieser Insolvenzen entfielen dabei auf Standorte in freigemeinnütziger Trägerschaft. Ein Viertel entfiel auf öffentlich-rechtliche Träger und nur wenige auf private. 63 Prozent der Standorte, für die ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, verfügten über eine Notfallstufe – die meisten die Notfallstufe 1, die eine Basisnotfallversorgung beschreibt.

„Typischerweise trifft eine Insolvenz eher kleinere Häuser“, heißt es im Report. Bislang wurden von den 47 Standorten, die sich in einem Insolvenzverfahren befinden, sieben Standorte geschlossen. Für das Jahr 2024 geht Augurzky von etwa 60 Insolvenzen aus.

Reform verbessert wirtschaftliche Lage der Häuser

Die Autoren des Reports gehen davon aus, dass der Anteil der Krankenhäuser mit einer erhöhten Insolvenz­gefahr ohne die im KHVVG geplanten Maßnahmen von 14 Prozent im Jahr 2023 auf 48 Prozent im Jahr 2030 ansteigt. Der Anteil der Häuser mit Jahresverlust würde bereits 2024 den Wert von rund 70 Prozent erreichen und bis zum Ende des Jahrzehnts bei etwa diesem Wert verharren.

„Berücksichtigt man die bis Ende April 2024 geplanten Maßnahmen des KHVVG, stellt sich mittelfristig die Lage besser dar“, heißt es in dem Report. „Es sind verschiedene Arten von Zuschlägen vorgesehen sowie um­fangreiche Investitionsmittel aus dem geplanten Transformationsfonds. Werden damit Strukturoptimierungen angestoßen, würde sich die Wirtschaftlichkeit der Krankenhäuser verbessern.

Im Jahr 2030 könnten dann nur noch 24 Prozent der Krankenhäuser im roten Rating-Bereich liegen und 75 Prozent der Häuser wieder ein positives Jahresergebnis schreiben. Erreicht werden könnte dies im Rahmen von Zentralisierungen durch die Zusammenlegung von Standorten sowie von Schwerpunktbildungen durch die Bündelung von Leistungsgruppen.“

Überbrückungshilfen verhindern Strukturwandel

Die Krankenhäuser rufen derzeit nach Überbrückungshilfen, um die Inflationssteigerungen auszugleichen, bis die Krankenhausreform wirkt. Dem Report zufolge wären dafür bis 2030 insgesamt 14 Milliarden Euro notwen­dig, vor allem im Zeitraum 2024 bis 2026.

„Wenn ich mit Übergangshilfen alle Lücken auffülle, wird es keine Strukturveränderungen geben“, gab Augurz­ky zu bedenken. „Ich kenne doch meine Pappenheimer in den Kreistagen, die dann sagen: Wenn es finanzielle Hilfe gibt, brauche ich ja keine Veränderungen vorzunehmen. So ist nun einmal die menschliche Natur: Wenn kein Druck entsteht, entstehen auch keine Veränderungen.“

Investitionsmittel etwas gestiegen

Im Krankenhaus Rating Report werden auch die Investitionsmittel dargestellt, die die Krankenhäuser von den Bundesländern erhalten haben. Im Jahr 2022 lagen sie acht Prozent höher als im Vorjahr bei 3,6 Milliarden Euro.

„Wir schätzen den jährlichen förderfähigen Investitionsbedarf der Plankrankenhäuser zum Substanzerhalt auf mindestens 5,9 Milliarden Euro, zuzüglich Universitätskliniken insgesamt auf 6,7 Milliarden Euro“, schreiben die Autoren.

„Krankenhäuser schließen die Lücke zwischen Bedarf und bereitgestellten Fördermitteln nur zum Teil aus eigener Kraft; dies führt zu einem Substanzverzehr. Besonders stark war er bei den ostdeutschen Kranken­häusern, die sich – von einer sehr guten Unternehmenssubstanz kommend – dem niedrigen Niveau der westdeutschen Krankenhäuser immer weiter annähern.“

Zahl der ärztlichen Mitarbeiter stagniert

Die Anzahl der in Krankenhäusern beschäftigten Menschen ist umgerechnet in Vollkräfte zwischen 2015 und 2022 um elf Prozent gestiegen. Dabei hat der Anteil der in Teilzeit beschäftigten Mitarbeitenden leicht zuge­nommen. Im ärztlichen Dienst hat er sich zwischen 2015 und 2022 von 22 Prozent auf 32 Prozent erhöht.

„Die jährliche Zunahme der Zahl der Vollkräfte im ärztlichen Dienst lag zwischen 1999 und 2022 bei 2,0 Prozent“, heißt es weiter in dem Report. „Im Jahr 2022 betrug der Anstieg nur noch 0,1 Prozent, wodurch zum ersten Mal seit 2000 von keinem Wachstum gesprochen werden kann. Dieser niedrige Wert dürfte auf die seit 2020 stark gesunkene Leistungsmange zurückzuführen sein. Sollte die Leistungsmenge auf niedrigem Niveau verharren, könnte in den folgenden Jahren sogar mit einer Reduktion der ärztlichen Stellen zu rechnen sein.“

Zeitstabile Muster

Eine Auswertung vorliegender Jahresabschlüsse aus den Jahren 2007 bis 2022 in dem Report zeigt zeitstabile Muster: „Signifikant besser fällt das Rating in Ost-Deutschland aus, am schlechtesten in Bayern und Baden-Württemberg“, heißt es darin. „Kliniken in freigemeinnütziger und privater Trägerschaft schneiden beim Rating und der Ertragslage signifikant besser ab als öffentlich-rechtliche Kliniken.

Eine Ausnahme sind öffentlich-rechtliche Kliniken in ärmeren Kreisen. Sie schneiden deutlich besser ab als solche in reichen Kreisen. Das könnte andeuten, dass die fehlende Aussicht auf die Subventionierung durch ärmere kommunale Träger ein effizienteres Vorgehen erzwingt.

Ein deutlich besseres Rating und eine bessere Ertragslage hatten außerdem größere Kliniken, Häuser in Klinikketten, Krankenhäuser mit einem mittleren und hohen Spezialisierungsgrad sowie Einrichtungen mit einem hohen Case-Mix-Index.“

Hinsichtlich der Digitalisierung sei allgemein erkennbar, dass Krankenhäuser, die zu einer großen Kette ge­hören, bezüglich ihrer Digitalisierung weiter fortgeschritten sind. Sie profitierten höchstwahrscheinlich von der Zentralisierung und Standardisierung ihrer IT-Strategie und -Infrastruktur auf Konzernebene.

fos

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