Krankenhausreport: Mehr Patienten mit Rückenschmerzen in der Klinik

Berlin – Immer mehr Patienten mit lumbalen Rückenschmerzen kommen in die Klinik und werden dort offenbar nicht adäquat versorgt. Zu diesem Schluss kommt der aktuelle Krankenhausreport der Barmer GEK, der am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Nach Berechnungen der Autoren des Reports ist zwischen 2006 und 2014 die Zahl der Patienten mit Rückenschmerzen von 282.000 auf 415.000 gestiegen.
Dabei findet bei einem Drittel der Klinikpatienten allerdings weder eine Operation an der Wirbelsäule noch eine entsprechende Schmerztherapie statt. Bei diesen rund 140.000 Patienten werde vor allem bildgebende Diagnostik abgerechnet, oftmals sei es aber unklar, mit welchem medizinischen Ziel der Aufenthalt im Krankenhaus erfolgt sei. „Wir sehen hier eine deutliche Fehlentwicklung. So kann bildgebende Diagnostik beispielsweise auch von niedergelassenen Ärzten erbracht werden“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Barmer GEK, Christoph Straub.
Zweitmeinungsverfahren ist dringend anzuraten
Im Erhebungszeitraum ist auch die Zahl der Bandscheibenoperationen um 12,2 Prozent gestiegen. Zwei Jahre nach einer Operationen wird bei den Patienten zusätzlich immer öfter eine Versteifungsoperation durchgeführt. „Operationen scheinen heute eine schnelle und gängige Maßnahme zu sein“, sagte Straub. Seine Kasse setze sich intensiv für das Zweitmeinungsverfahren ein. Dafür habe die Kasse mit 230 Rückenzentren in Deutschland 2013 einen entsprechenden Selektivvertrag abgeschlossen. „Ein Zweitmeinungsverfahren ist vor jeder Rückenoperation dringend anzuraten“, so Straub. Ebenso plädierte er für eine bessere fachübergreifende Vernetzung der Ärzte im ambulanten Bereich, damit bei Patienten die Chronifizierung von Schmerzen vermieden werden können. „Der Hausarzt sollte hier als Lotse intensiv in die Versorgung eingebunden werden“, so Straub.
Hohe indirekte Kosten
In der gesetzlichen Krankenversicherung werden jährlich 1,25 Milliarden Euro für die stationäre Versorgung von Patienten mit lumbalen Rückenschmerzen ausgegeben. Rückenschmerzen verursachen auch hohe indirekte Kosten: Es wird von rund sieben Milliarden Euro ausgegangen, da etwa 15 Prozent aller Arbeitsunfähigkeitstage sowie 18 Prozent aller Frühverrentungen sich auf Rückenleiden zurückführen lassen.
Ein Drittel der Rückenschmerz-Patienten im Krankenhaus erhalten laut den Daten der Barmer GEK eine interventionelle Schmerztherapie. Hier sind die Leistungen seit dem Jahr 2006 in Kliniken um 106 Prozent gestiegen. Auch ist die Zahl der Kliniken, die die Therapie mit gesetzlichen Krankenkassen abrechnen, sind zwischen 2006 und 2014 um 40 Prozent gestiegen. „Diese Therapie mit Spritzen benötigt fünf bis sechs Tage stationärer Versorgung. Allerdings kann dies auch ambulant gemacht werden“, betont Studienautorin Eva Maria Bitzer von der Pädagogischen Hochschule Freiburg vor Journalisten in Berlin.
Bitzer konnte ebenso anhand der Daten feststellen, dass bis zu sieben Jahre vor einer Operation die betroffenen Patienten bereits in einer ambulanten Praxis wegen ihrer Schmerzen behandelt wurden. „Oft sind die Patienten, deren lumbale Rückenschmerzen im Krankenhaus behandelt werden, über viele Jahre ambulant vorbehandelt worden“, erklärte Bitzer. Nach ihren Angaben wurden 2014 etwa 18 Millionen Menschen in Deutschland wegen Rückenschmerzen ambulant versorgt.
Nur ein Drittel der Patienten sind nach 18 Monaten schmerzfrei
Dabei sind viele Patienten zwei Jahre nach einer OP mit dem Ergebnis nicht zufrieden und haben nach eigenen Angaben weiterhin Schmerzen. Nach den Ergebnissen Versichertenbefragung, die Bitzer für die Barmer GEK zusätzlich zu den Versorgungsdaten analysiert hat, sind nur ein Drittel 18 Monate nach ihrem Krankenhausaufenthalt schmerzfrei, 19,2 Prozent sind mit dem Ergebnis der Versorgung in der Klinik zufrieden.
„Das sind die niedrigsten Werte, die wir jemals im Rahmen einer Patientenbefragung des Krankenhausreportes gemessen haben. Das ist sehr ernüchternd“, sagte Bitzer. „Es wird deutlich, wie unzufrieden Patienten mit der Rückenschmerztherapie sind. Da die Erwartungshaltung an die Behandlung im Krankenhaus sehr hoch ist, müssen die Patienten umfassend von Ärzten aufgeklärt werden, was eine Behandlung überhaupt leisten kann“, fordert Bitzer.
Fallzahlen nehmen zu, Verweildauer geht zurück
Der Barmer GEK Krankenhausreport 2015 enthält auch Daten für das weitere Versorgungsgeschehen in deutschen Kliniken. Demnach haben die Fallzahlen in den Jahren 2013 und 2014 wieder leicht zugenommen. Im Vergleich zum 2013 gab es eine Steigerung von 217 auf 219 vollstationäre Behandlungsfälle je 1.000 Versicherte. Die durchschnittliche Verweildauer hat erneut leicht abgenommen und liegt aktuell bei 7,66 Tagen pro vollstationärem Krankenhausaufenthalt. Wie auch in den vergangenen Jahren nehmen die Behandlungsfälle aufgrund einer psychischen Störung weiter zu. Dabei werden Frauen eine deutlich längere Verweildauer (25,5 Tage) als bei Männern (19,5 Tage) festgestellt. Die Zahl der Behandlungen wegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen nimmt etwas ab.
Bei den Diagnosen gibt es einen deutlichen Unterschied zwischen Geschlechtern: Männern werden häufiger wegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen (36,9 Prozent) und Erkrankungen des Verdauungssystems (24,4 Prozent) behandelt, bei Frauen überwiegen Behandlungen auf Grund von Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes (24,4 Prozent) versorgt.
Niedrigste Fallzahlen in Baden-Württemberg
Bei der regionalen Auswertung der Versichertendaten belegt der Kassen-Report ein sehr unterschiedliches Versorgungsgeschehen in Deutschland: So ist Baden-Württemberg das Land mit der niedrigsten Zahl der Krankenhausfälle und –tagen pro 1000 Versicherten: Hier stehen 187,2 Fälle und 1461,6 Tage gegenüber Thüringen und Nordrhein-Westfahlen, die mit je 239 Fällen an der Spitze liegen. In beiden Ländern sind auch die Ausgaben je Versicherten hoch: Während in Baden-Württemberg bei 761 Euro je Versichertenjahr liegen, ist es mit 910 Euro in NRW und 908 Euro in Thüringen deutlich teurer.
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