Ärzteschaft

Ärztliche Zweitmeinung reduziert Bandscheiben­operationen

  • Montag, 9. Januar 2017
Uploaded: 15.12.2016 15:07:40 by gießelmann
Ligamenta Wirbelsaeulenzentrum / pixelio.de

Stuttgart – Das Angebot einer kostenlosen ärztlichen Zweitmeinung für Operationen an der Wirbelsäule reduziert die Anzahl von Bandscheibenoperationen. Darauf hat die Tech­­niker Krankenkasse (TK) Baden-Württemberg hingewiesen. Demnach wurde 90 Pro­zent der Patienten, die das entsprechende TK-Angebot in Baden-Württemberg nutz­ten, von einer Rücken-OP abgeraten. Die Zweitmeinungen erfolgten von Ärzten an schmerz­therapeutischen Zentren. Sie empfahlen statt der Operation unterschiedliche Schmerz-, Verhaltens- und Physiotherapien.

„Gerade bei Rückenleiden besteht ein erhebliches Potenzial, auch ohne Operation er­folgreich zu behandeln", sagte Gerhard Müller-Schwefe, Leiter des Schmerz- und Pallia­tivzentrums Göppingen, einem von bundesweit 33 spezialisierten Schmerzzentren, die dem TK-Netzwerk angehören. Dies setze allerdings ein individuell auf den Patienten zu­geschnittenes fachübergreifendes Behandlungskonzept für eine schnelle Aktivierung und Schmerzreduktion voraus.

Die Deutsche Gesellschaft für Neurochirurgie (DGNC) betrachtet die Zahlen hingegen mit Skep­sis. DGNC-Se­kretär Veit Braun äußerte im Gespräch mit dem Deutschen Ärz­te­blatt Zweifel an der Unabhängigkeit der Gutachten, so­lange es nicht ein klares Rege­lungs­werk für Zweit­mei­nun­gen gebe, das sicherstelle, dass diese wirklich von unab­hängi­gen Gutachtern er­stellt werden. Erst kürzlich hatten DGNC und der Berufsverband Deut­scher Neurochi­rur­­gen (BDNC) Anfor­derungen an eine sogenannte qualifizierte ärztliche Zweitmeinung zu Rü­cken­opera­tionen definiert.

Braun verdeutlichte, weder der Medizini­sche Dienst der Krankenkassen (MDK), noch Kol­le­­gen, die theoretisch mit einer Zweitmeinung Geld verdie­nen könn­ten, seien für ihn unab­hängig. „Der Schmerztherapeut wird ja kaum eine OP empfehlen, wenn er selber mit Schmerzmedikamenten tätig werden kann. Wenn man umgekehrt fragen würde, sähe es ähnlich aus“, erklärte Braun.

Darüber hinaus ist dem DGNC-Se­kretär zufolge immer noch die grundsätzliche Frage zu klären, wie die Folgen einer Zweitmeinung aussähen, wenn diese zu einem anderen Er­gebnis komme als die Erstdiagnose. „Wird die Operation dann nicht mehr bezahlt, auch wenn der Pa­tient diese wünscht“, fragte Braun.

Angesichts der positiven Erfahrungen will die TK ihr Zweitmeinungsangebot ausweiten: Künftig können Versicherte sich auch vor geplanten operativen Eingriffen an Hüfte, Schul­ter oder Knie kostenlos durch ein Team aus Physio-, Schmerz- und Psychothera­peuten beraten lassen.

hil/sb/may

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