Ärztliche Zweitmeinung reduziert Bandscheibenoperationen

Stuttgart – Das Angebot einer kostenlosen ärztlichen Zweitmeinung für Operationen an der Wirbelsäule reduziert die Anzahl von Bandscheibenoperationen. Darauf hat die Techniker Krankenkasse (TK) Baden-Württemberg hingewiesen. Demnach wurde 90 Prozent der Patienten, die das entsprechende TK-Angebot in Baden-Württemberg nutzten, von einer Rücken-OP abgeraten. Die Zweitmeinungen erfolgten von Ärzten an schmerztherapeutischen Zentren. Sie empfahlen statt der Operation unterschiedliche Schmerz-, Verhaltens- und Physiotherapien.
„Gerade bei Rückenleiden besteht ein erhebliches Potenzial, auch ohne Operation erfolgreich zu behandeln", sagte Gerhard Müller-Schwefe, Leiter des Schmerz- und Palliativzentrums Göppingen, einem von bundesweit 33 spezialisierten Schmerzzentren, die dem TK-Netzwerk angehören. Dies setze allerdings ein individuell auf den Patienten zugeschnittenes fachübergreifendes Behandlungskonzept für eine schnelle Aktivierung und Schmerzreduktion voraus.
Die Deutsche Gesellschaft für Neurochirurgie (DGNC) betrachtet die Zahlen hingegen mit Skepsis. DGNC-Sekretär Veit Braun äußerte im Gespräch mit dem Deutschen Ärzteblatt Zweifel an der Unabhängigkeit der Gutachten, solange es nicht ein klares Regelungswerk für Zweitmeinungen gebe, das sicherstelle, dass diese wirklich von unabhängigen Gutachtern erstellt werden. Erst kürzlich hatten DGNC und der Berufsverband Deutscher Neurochirurgen (BDNC) Anforderungen an eine sogenannte qualifizierte ärztliche Zweitmeinung zu Rückenoperationen definiert.
Braun verdeutlichte, weder der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK), noch Kollegen, die theoretisch mit einer Zweitmeinung Geld verdienen könnten, seien für ihn unabhängig. „Der Schmerztherapeut wird ja kaum eine OP empfehlen, wenn er selber mit Schmerzmedikamenten tätig werden kann. Wenn man umgekehrt fragen würde, sähe es ähnlich aus“, erklärte Braun.
Darüber hinaus ist dem DGNC-Sekretär zufolge immer noch die grundsätzliche Frage zu klären, wie die Folgen einer Zweitmeinung aussähen, wenn diese zu einem anderen Ergebnis komme als die Erstdiagnose. „Wird die Operation dann nicht mehr bezahlt, auch wenn der Patient diese wünscht“, fragte Braun.
Angesichts der positiven Erfahrungen will die TK ihr Zweitmeinungsangebot ausweiten: Künftig können Versicherte sich auch vor geplanten operativen Eingriffen an Hüfte, Schulter oder Knie kostenlos durch ein Team aus Physio-, Schmerz- und Psychotherapeuten beraten lassen.
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