Krankenkasse muss Kosten für Genium-Kniegelenk tragen

Darmstadt – Gesetzlich Krankenversicherte haben unter bestimmten Bedingungen einen Anspruch auf die Versorgung mit besseren orthopädischen Hilfsmitteln, wenn diese im Einzelfall erforderlich sind, um eine Behinderung auszugleichen. Das hat der 1. Senat des Hessischen Landessozialgerichts in einem heute veröffentlichten Urteil entschieden (Az.: L 1 KR 211/15). Wie das Gericht ausführte, muss das kostenaufwendigere Hilfsmittel einem behinderten Versicherten einen wesentlichen Gebrauchsvorteil im Vergleich zur kostengünstigeren Alternative bieten. Darüber hinaus müsse der Versicherte die Gebrauchsvorteile tatsächlich nutzen können, hieß es.
Im vorliegenden Fall hatte ein Mann aus dem Landkreis Offenbach den Verlust seines linken Unterschenkels im Kniegelenk erlitten. Die Krankenkasse versorgte ihn mit einem Beinprothesensystem (C-Leg). Bald darauf beantragte der 82-jährige Mann eine Beinprothesenversorgung mit einem Genium-Kniegelenk, da er damit eine deutliche Verbesserung der Geh- und Stehfähigkeit erreichen könne. Die Krankenkasse lehnte dies ab. Das C-Leg-Prothesensystem für 28.000 Euro sei ausreichend. Das knapp 46.000 Euro teure Genium-Kniegelenk lasse demgegenüber keine erheblichen Gebrauchsvorteile für den beinamputierten Mann erwarten.
Jede Innovation umfasst
Die Darmstädter Richter haben die Krankenkasse nun dazu verurteilt, die Kosten für das Genium-Kniegelenk zu tragen. Der Anspruch auf Hilfsmittel zum unmittelbaren Behinderungsausgleich – wenn also das Hilfsmittel dem unmittelbaren Ersatz des fehlenden Körperteils und dessen ausgefallener Funktion diene – umfasse bei Prothesen grundsätzlich jede Innovation, die dem Versicherten in seinem Alltagsleben deutliche Gebrauchsvorteile biete, so die Richter.
Aufgrund des im Gerichtsverfahren eingeholten Sachverständigengutachtens sei davon auszugehen, dass im Vergleich zum C-Leg-System das Genium-Kniegelenk dem Kläger wesentliche Vorteile insbesondere beim Übersteigen von Hindernissen, beim Stehen auf schrägem Untergrund sowie beim Treppensteigen und Rückwärtsgehen im Wechselschritt biete. Der 82-jährige Mann könne diese Gebrauchsvorteile aufgrund seiner körperlichen und geistigen Voraussetzungen, die denen eines etwa 60-Jährigen entsprächen, auch nutzen.
So erreiche er mit dem Genium-Kniegelenk den höchsten Mobilitätsgrad vier, während er mit der C-Leg-Versorgung in den Mobilitätsgraden zwei bis drei verbleibe. Die Genium-Prothese stelle daher für den Kläger die einzige Möglichkeit dar, die aufgrund der Amputation des linken Unterschenkels bestehende Behinderung nahezu vollständig auszugleichen. Die Revision wurde nicht zugelassen.
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