Politik

Krankenkassen reichen erste Klagen gegen Bund ein

  • Montag, 1. Dezember 2025
/picture alliance, Zoonar, stockfotos-mg
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Berlin – Die gesetzlichen Krankenversicherungen haben über ihren Spitzenverband erste Klagen gegen die Bundesrepublik in der Frage der Finanzierung der Gesundheitsversorgung von Bürgergeldbeziehern eingereicht.

Nach Mitteilung des GKV-Spitzenverbandes sind in den vergangenen Tagen erste Klagen gegen Bescheide des Bundesamtes für Soziale Sicherung (BAS) beim Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen eingereicht worden. Derzeit verschickt das BAS mit Sitz in Bonn, das die Aufsicht über den Gesundheitsfonds inne hat, Bescheide für das Jahr 2026 über die Zuweisungen an den Fonds.

Insgesamt geht es bei der Diskussion um rund zehn Milliarden Euro, die der Staat nach Berechnungen des Kassenverbandes zu wenig bezahlt, um für die durchschnittlichen Kosten für die Gesundheitsversorgung von Empfängerinnen und Empfänger von Bürgergeld aufzukommen. Aus dem Haushalt des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) werden für die sogenannten Versicherungsfremde Leistungen 14,5 Milliarden Euro an den Fonds überwiesen. Die Krankenkassen hatten solch eine Klage im September angekündigt, falls es keine weiteren Steuermittel für die Finanzierung der Versorgung gibt.

Die Krankenkassen beklagen seit Jahren eine Unterfinanzierung der Gesundheitsleistungen für Bürgergeldbeziehende. „Es geht hier nicht um Almosen oder Subventionen des Staates für die GKV – umgekehrt wird ein Schuh daraus: Die gesetzlichen Krankenkassen subventionieren hier den Staat, der sich durch die nicht annähernd kostendeckenden Beiträge für Bürgergeldbeziehende um rund zehn Milliarden Euro selbst entlastet und die GKV jedes Jahr auf diesem Betrag sitzen lässt", erklärte Susanne Wagemann, Verwaltungsratsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes.

Die Krankenkassen argumentieren dabei mit der Fairness gegenüber Arbeitnehmern und Arbeitgebern. „Dieses staatliche Vorgehen schadet dem Wirtschaftsstandort Deutschland, denn so wird Arbeit immer teurer. Deshalb brauchen wir neben notwendigen Strukturreformen endlich eine faire Finanzierung der medizinischen Versorgung von Bürgergeldbeziehenden“, so Wagemann weiter.

Auch Uwe Klemens, stellvertretender Verwaltungsratsvorsitzender des Kassenverbandes, betonte: „Immer und immer wieder haben wir die Politik auf die rechtswidrige Unterfinanzierung bei den Beiträgen für Bürgergeldbeziehende hingewiesen – und immer und immer wieder ist zwar viel versprochen, aber bis heute nichts eingehalten worden.“ Man hoffe darauf, dass sich das höchste deutsche Gericht demnächst mit der Frage beschäftigen kann.

Unterstützt wird der GKV-Spitzenverband von allen großen Kassenverbänden sowie vielen Einzelkassen. So erklärte Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse (TK), die die größte Krankenkasse ist: „Wir unterstützen die Klage, um mehr Fairness für die Versicherten durchzusetzen. Wenn eine staatliche Aufgabe aus Beitragsgeldern bezahlt wird, werden Personen mit niedrigem Einkommen überproportional stark belastet und Privatversicherte gar nicht beteiligt.“

Auch aus dem AOK-Bundesverband kommt Unterstützung: „Jahr für Jahr bleiben die Krankenkassen auf zwei Dritteln der Kosten für die Finanzierung der Gesundheitsversorgung von Bürgergeldbeziehenden sitzen. Das Defizit beläuft sich auf jährlich rund 10 Milliarden Euro. Da dieser Missstand schon seit über einem Jahrzehnt andauert, lässt sich das Volumen der zweckentfremdeten Mittel inzwischen auf weit über 100 Milliarden Euro beziffern", erklärte die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann.

Auch der BKK-Dachverband unterstützt den Schritt „voll“: Immer wieder sei von der Politik in Koalitionsverträgen versprochen worden, dass die Kassenbeiträge für Bürgergeldbeziehende besser finanziert werden sollen. „Die jetzige Bundesgesundheitsministerin Nina Warken hat im Sommer sogar eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten von Bürgergeldempfangenden gefordert. Passiert ist jedoch nichts“, beklagte Anne-Kathrin Klemm, Vorständin des BKK-Dachverbandes.

Der Klage schließt sich auch der Verband der Innungskrankenkassen (IKK) an. „Aus Sicht der Innungskrankenkassen verletzt dies das gesetzliche verbriefte Recht der Finanzautonomie der gesetzlichen Krankenversicherung und das verfassungsrechtliche Gebot der Zweckbindung von Beiträgen“, hieß es in einer Mitteilung des Verbandes.

„Wir hoffen, dass die Gerichte möglichst schnell Klarheit schaffen und die rechtswidrige Unterfinanzierung der Gesundheitsversorgung von Bürgergeldbeziehenden beenden. Bis dahin stehen die Innungskrankenkassen fest an der Seite des GKV-Spitzenverbandes: Es braucht jetzt Rechtssicherheit, damit Versicherte und Arbeitgeber wissen, dass ihre Beiträge fair, zweckgebunden und transparent verwendet werden“, so Hans-Jürgen Müller, Vorstandsvorsitzender des IKK e.V.

bee

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