Krankenkassen unter Manipulationsverdacht

Bonn/Berlin – 59 von derzeit 134 Krankenkassen in Deutschland stehen im Verdacht, die Krankheiten ihrer Versicherten unkorrekt gemeldet. Das geht aus einem Schreiben des Bundesversicherungsamtes an den Spitzenverband der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) hervor. Die Rheinische Post berichtete heute über diesen Brief vom 12. August. Betroffen sind laut dem Bundesversicherungsamt Krankenkassen aller Kassenarten und Größenordnungen.
Demnach forderte das Bundesversicherungsamt beispielsweise eine Betriebskrankenkasse auf, plausibel zu machen, warum in einem Jahr die Zahl der Herzinfarkte bei ihren Versicherten um mehr als 280 Prozent gestiegen ist, während sie durchschnittlich bei allen Kassen um weniger als ein Prozent in die Höhe ging. Eine Ersatzkasse wiederum verzeichnete dem Bericht zufolge eine Vermehrung von Hautgeschwüren bei ihren Versicherten um mehr als 30 Prozent, während dieses Krankheitsbild im gesamten Kassensystem um gerade einmal 1,5 Prozent anstieg
Hintergrund ist, dass die Kassen für Patienten mit bestimmten Krankheiten mehr Geld aus dem Gesundheitsfonds bekommen. Seit Längerem wird darüber debattiert, ob deshalb Versicherungen bei der Meldung von Krankheiten übertreiben. Das fünfte Sozialgesetzbuch verpflichtet das Bundesversicherungsamt, die Datenmeldungen der Krankenkassen für den Risikostrukturausgleich auf Zulässigkeit zu überprüfen.
Der GKV-Spitzenverband und das Bundesversicherungsamt bemühen sich seit Bekanntwerden der Vorwürfe, diese abzuwiegeln: Der Sprecher des Bundesversicherungsamtes, Tobias Schmidt, sagte, es sei durchaus möglich, dass die Kassen die statistischen Auffälligkeiten ausreichend erklären könnten. Hinter hohen Veränderungsraten können bei kleinen Krankenkassen wenige Fälle stehen. Bei dem genannten 280 prozentigen Anstieg der Herzinfarkte bei einer BKK handele es sich um einen Anstieg von 5 auf 19 Fälle.
Die Zahl der auffälligen Kassen sei nicht außergewöhnlich, die Prüfungen reagierten sensibel auf Veränderungen. Insgesamt seien weniger Kassen aufgefallen als bei der vorangegangenen Prüfung. Bei den vielen auffälligen Fällen des Jahres 2008 seien zudem nur in drei Fällen wirkliche Manipulation festgestellt worden.
Der GKV-Spitzenverband hat unterdessen zugesagt, „vorhandene Unstimmigkeiten im direkten Dialog zwischen den jeweils betroffenen Krankenkassen und dem Bundesversicherungsamt“ zu klären.
Die Bundesregierung reagierte gelassen. „Das ist ein Routineverfahren“, sagte ein Sprecher von Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP). Habe es Fehler gegeben, müssten die betroffenen Kassen Geld zurückzahlen und hätten eine Strafe zu schultern. Konkret müssten diese Kassen zu viel erhaltenes Geld plus einen 25 prozentigen Aufschlag als Sanktion zurückbezahlen.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: