Krankenkassenbilanzen offenbaren schwierige Finanzlage

Berlin – Einige Krankenkassen in Deutschland befinden sich finanziell in schwierigem Fahrwasser. Dem Bundesversicherungsamt (BVA) zufolge konnten allein von den bundesunmittelbaren Krankenkassen 2016 vier Kassen die gesetzliche Mindestrücklage nicht erreichen. Namen nannte das BVA nicht. Wie ein stichprobenartiger Blick auf die Kassenbilanzen der 110 Kassen für das Geschäftsjahr 2016 zeigt, die im Bundesanzeiger veröffentlicht sind, gehört zu den vier Kassen mit der DAK-Gesundheit eine der bundesweit größten Krankenkassen. Andere größere Kassen, wie die KKH, erreichten nur unter hohen Anstrengungen die gesetzlichen Vorgaben.
Das Sozialgesetzbuch V (SGB V) schreibt den Krankenkassen vor, Rücklagen von mindestens einem Viertel der monatlichen Ausgaben zu bilden. Die DAK-Gesundheit beispielsweise hätte demnach 2016 Rücklagen von rund 417 Millionen Euro ausweisen müssen. Tatsächlich betrug die Rücklage zum Jahresende 2016 allerdings 300 Millionen Euro. Und das, obwohl die Betriebsmittel von rund 91 Millionen Euro auf etwa 6,7 Millionen Euro abgeschmolzen wurden. Grund für die damalige Schieflage dürften unter anderem die deutlich gestiegenen Ausgaben der Kasse sein. Diese erhöhten sich je Versicherten 2016 um 4,7 Prozent auf rund 3.362 Euro. 2015 waren es bereits etwa 3.210 Euro.
Verbesserung um 55.844,4 Prozent
Die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds sind im gleichen Zeitraum lediglich um 4,3 Prozent gewachsen. Je Versicherten gab es aus dem Fonds für die DAK rund 3.275 Euro und damit 87 Euro je Versicherten zu wenig, um die Ausgaben zu decken. Auf Einnahmeseite hatte die DAK-Gesundheit 2016 ihre Finanzlage daher durch eine deutliche Erhöhung des Zusatzbeitragssatzes verbessern müssen. Dieser stieg damals von 0,9 Prozent auf 1,5 Prozent. Die Kasse war vom Bundesversicherungsamt entsprechend angehalten worden, wie es aus gut unterrichteten Kreisen heißt.
Das hat dafür gesorgt, dass sich die Finanzlage der Kasse 2016 zumindest leicht verbessert hat. Denn 2015 war die Finanzlage der DAK Gesundheit noch schwieriger: Die Rücklagen lagen damals nach Informationen des Bilanzberichts für das Jahr 2016 bei nur noch 541.000 Euro. Die Betriebsmittel beliefen sich auf 91 Millionen Euro. Allein die Rücklagen hätten sich aber auf mindestens rund 413 Millionen Euro belaufen müssen. Der Trend ist dennoch positiv. Das zeigt die Erhöhung der Rücklagen auf 300 Millionen Euro (2016). Je Versicherten bedeutet das einen Anstieg der Rücklagen von 0,09 Euro je Versicherten auf immerhin rund 50 Euro. Das ist ein prozentualen Anstieg um 55.844,4 Prozent.
Positive Entwicklung 2017
Wie die DAK-Gesundheit auf Nachfrage des Deutschen Ärzteblattes (DÄ) mitteilte, hat sich die Finanzlage der Kasse im vergangenen Jahr weiter stabilisiert. Die Rücklagen stiegen demnach 2017 auf 513 Millionen Euro. Die gesetzlich vorgeschriebene Rücklage hätte demnach 446,5 Millionen Euro betragen müssen. „Wir sind sehr optimistisch, was die weitere Entwicklung angeht“, sagte ein Sprecher der DAK-Gesundheit. Er betonte, die DAK befinde sich bereits seit 2016 auf Konsolidierungskurs. Dieser solle Ende 2018 abgeschlossen sein. Im Rahmen dieses Prozesses seien zum Beispiel spezialisierte Fachzentren gegründet und das Leistungsmanagement optimiert worden.
Grund für die schwierige Kassenlage der DAK-Gesundheit ist dem Sprecher zufolge auch die demografische Entwicklung. Bei der DAK seien viele ältere und alte Menschen versichert, die im Alter oft kränker seien. Das bedeute für die Kasse deutlich höhere Ausgaben. Ein Problem seien in diesem Zusammenhang zudem die Wettbewerbsverzerrungen aus dem Risikostrukturausgleich (RSA) der Krankenkassen, erklärte er. Den Zusatzbeitragssatz will die DAK 2018 weder erhöhen noch absenken. Die Absenkung des durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes für 2018 habe „eher temporären Charakter“, so der DAK-Sprecher. Die Kasse setze auf einen „solide kalkulierten Haushalt“.
KKH muss Betriebsmittel auflösen
Die Betriebsmittel abschmelzen musste im vergangenen Jahr auch die KKH, um noch die gesetzliche Mindestrücklage zu erzielen. Sie verringerte diese dem Bundesanzeiger zufolge um 96 Prozent von rund 36,37 Millionen Euro (2015) auf 1,44 Millionen Euro (2016). So konnte die KKH für 2016 Rücklagen in Höhe von 114,62 Millionen Euro ausweisen. Die Mindestrücklage belief sich auf rund 109 Millionen Euro. Ein weiterer Griff in die Betriebsmittel ist nun nicht mehr möglich.
Wie die DAK-Gesundheit hat auch die KKH mit wachsenden Ausgaben zu kämpfen. Während die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds ein Plus von 3,5 Prozent verzeichneten, erhöhten sich die Leistungsausgaben um 4,3 Prozent. Absolut bedeutete das einen Anstieg der Ausgaben der KKH je Versicherten von 2.878 Euro (2015) auf 3.003 Euro (2016). Die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds je Versicherten betrugen 2016 aber lediglich 2.887 Euro und damit deutlich weniger als für die Deckung der Ausgaben notwendig wären.
Eine KKH-Sprecherin erklärte auf DÄ-Anfrage, man erwarte für 2017 einen Einnahmeüberschuss, sodass sich der Betriebsmittelbestand weiter erhöhen würde. Zudem habe die Kasse im Mai des vergangenen Jahres einen in der gesetzlichen Krankenversicherung erfahrenen Strategieberater an Bord geholt, um die finanzielle Situation und die Wettbewerbsfähigkeit der KKH weiter zu verbessern. Gleichzeitig habe sich die Kasse im Rahmen eines Zukunftsprogrammes konkrete Ziele für die Zukunft gesetzt, die auch auf die weitere Verbesserung der Finanzsituation der Kasse Einfluss haben würden, so die Sprecherin.
Neben Kassen mit zu geringen Rücklagen gibt es auf der anderen Seite auch Kassen, die die gesetzlich vorgeschriebene Höchstrücklagenquote überschreiten. So hat zum Beispiel die AOK Plus Rücklagen von rund 848 Millionen Euro ausgewiesen. Die maximal zulässige Rücklage laut SGB V ist eine Monatsausgabe. Das wären rund 800 Millionen Euro. Die Ausgaben der AOK Plus je Versicherten beziffert die Rechnungslegung für 2016 mit 3.192 Euro. An Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds bekam die Kasse 3.255 Euro.
Ebenfalls mehr Rücklagen als eigentlich erlaubt verzeichnet die AOK Sachsen-Anhalt. Die Bilanz beziffert diese auf rund 244 Millionen Euro. Das sind 13 Millionen mehr als die angegebene Monatsbelastung (230 Millionen Euro). Auch die AOK Sachsen-Anhalt erhielt höhere Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds (2016: 4.080 Euro) als für die Ausgabendeckung der Versicherten (3.841 Euro) notwendig gewesen wären.
Die Bilanzergebnisse aus dem Bundesanzeiger untermauern die Einschätzungen von Kassenexperten aus dem Dezember vergangenen Jahres. Diese schätzten, dass etwa sechs Krankenkassen künftig finanzielle Probleme bekommen könnten. Namen nannte der Experte allerdings nicht. Aufgrund der aktuellen Haftungsregelungen innerhalb der Kassenarten könnte eine Pleite einer der großen gesetzlichen Versicherer das ganze Kassensystem in eine Unwucht bringen, hieß es.
Das Bundesversicherungsamt erklärte dem DÄ, man habe keine Krankenkasse aufgefordert für 2018 den Zusatzbeitragssatz zu erhöhen. Sämtliche Erhöhungen seien auf Entscheidungen Kassen im Rahmen der Haushalts- und Satzungsautonomie zurückzuführen.
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