Krebshilfe und Krebsgesellschaft wollen als Antreiber der Politik fungieren

Berlin – Eine bessere Vernetzung der Akteure auf dem Gebiet der Krebsmedizin, eine höhere Geschwindigkeit bei der Umsetzung von Programmen und Strukturen in die Regelversorgung sowie einen effektiveren Dialog mit der Politik forderten die Deutsche Krebshilfe und die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) gestern beim „Politischen Abend“ des 36. Deutschen Krebskongresses in Berlin.
In den letzten 15 Jahren seien hervorragende Strukturen geschaffen worden, die die Versorgungslage für Krebspatientinnen und -patienten kontinuierlich verbessert hätten, sagte Gerd Nettekoven, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Krebshilfe. „Aber einiges dauert einfach zu lange“, sagte er mit Verweis auf den langen Zeitraum bis zur Etablierung der psychosozialen Krebsberatungsstellen.
Zusätzlich zu langen Umsetzungszeiten monierte die Deutsche Krebsgesellschaft immer noch eine mangelnde Vernetzung: „Die deutsche Sozialgesetzgebung denkt in einzelnen Strukturen, nicht in Prozessen“, kritisierte Johannes Bruns, Generalsekretär der DKG. Das müsse künftig verbessert werden.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nahm die Kritik zur Kenntnis und betonte aber gleichzeitig den Schulterschluss mit den Krebsexpertinnen und -experten. Man stünde in ständigem Austausch, sagte er. Die Zusammenarbeit mit Deutscher Krebshilfe und Deutscher Krebsgesellschaft sei „offen und gut“. Viel sei bereits erreicht worden, aber es bestünden natürlich auch noch Potenziale.
Dabei verwies Lauterbach auf die Krankenhausreform. Mit ihr könne man dem Anliegen der Krebspatienten künftig gerechter werden. Zudem arbeite die Politik an der Verabschiedung verschiedener Gesetze zur Förderung der Digitalisierung, die intensiv vorangebracht werden müsse. „Es wird jetzt einen größeren Sprung nach vorn geben mit der Krankenhausreform und den Digitalgesetzen“, versprach er.
Durch die Krankenhausreform werde es eine höhere Versorgungsqualität auch für Krebspatienten geben, sagte er. „Davon bin ich überzeugt.“ Und mit der Etablierung der Forschungsdatenzentren sowie durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz werde man im internationalen Bereich auf dem Gebiet der Forschung in den nächsten Jahren viel aufholen können. Die gute Kooperation der Akteure sei auch hier eine wichtige Basis.
Kooperation, Interdisziplinarität und Interprofessionalität seien der Schlüssel zum Erfolg, unterstrich auch Kongresspräsident Reinhard Büttner, Direktor des Instituts für Allgemeine Pathologie und Pathologische Anatomie an der Uniklinik Köln. Man müsse gemeinsam diskutieren, wie sich der bisher erfolgreiche Prozess mit einer politischen Agenda unterlegen lasse.
Beide Gesellschaften – die Deutsche Krebshilfe, die gerade ihr 50-jähriges Jubiläum feiert, und die seit 124 Jahren bestehende DKG – hätten in den vergangenen Jahren enorme Beiträge zum Aufbau einer strukturierten Versorgung von Krebspatientinnen und -patienten in Deutschland geleistet, betonte Büttner.
Als Beispiele nannte er den Aufbau des Netzwerks der Onkologischen Spitzenzentren (CCC-Netzwerk) seit 2009, die Zertifizierungen von Krebszentren, die Etablierung großer Netzwerke für erbliche Krebsarten, das nationale Netzwerk Genomische Medizin (nNGM) Lungenkrebs, die erfolgreiche Integration der Palliativmedizin sowie diverse Programme zur Nachwuchsförderung in der Krebsmedizin.
Die Politik müsse aber noch mehr ihrer Verantwortung gerecht werden, meinte Bärbel Söhlke, Patientenvertreterin im Beirat des nationalen Netzwerks Genomische Medizin Lungenkrebs. „Wir haben die Zentren und Netzwerke auch, weil die Bevölkerung viel Geld an die Deutsche Krebshilfe spendet. Das sollte nicht so sein, Herr Lauterbach“, sagte sie.
Auch generell forderte sie mehr Vernetzung – auch mit den Krebspatienten. „Wir brauchen insbesondere in der Forschung mehr Beteiligung von Krebsbetroffenen“, sagte sie. Im englischsprachigen Raum würden längst Krebsbetroffene in Krebsforschungsprojekte einbezogen – Deutschland stehe erst am Anfang der Entwicklung.
Einig waren sich die Teilnehmenden des Politischen Abends, dass es vermehrt nötig sei, Brücken zwischen Wissenschaft und Politik zu bauen. Dies sei auch das Ziel der im Jahr 2019 initiierten Nationalen Dekade gegen Krebs, der langfristigen Forschungsstrategie gegen Krebs in Deutschland. Doch gerade bezüglich der Vernetzung bleiben noch viele Potenziale im Kampf gegen den Krebs ungenutzt, bedauerte Bruns. „Forschung und Versorgung müssen noch deutlich stärker miteinander verschränkt werden“, forderte er gestern.
Ein gutes Beispiel für die erfolgreiche Vernetzung von Versorgung und Forschung seien die von der Deutschen Krebshilfe initiierten und geförderten Comprehensive Cancer Center (CCC), sagte Nettekoven. In den Exzellenzzentren stünden neben einer Patientenversorgung auf höchstem Niveau auch die Forschung, insbesondere die translationale Forschung, im Mittelpunkt.
Dadurch können neue Forschungserkenntnisse sehr rasch den Patientinnen und Patienten zugutekommen sowie umgekehrt Erkenntnisse aus dem Versorgungsalltag in die Forschung einfließen. Dies sei auch im Sinne der Versicherer, sagte Gerhard Schillinger, Geschäftsführer des Stabs Medizin im AOK-Bundesverband. „Wir möchten, dass unsere Versicherten bestmöglich behandelt werden.“
„Forschung, Versorgung und Ausbildung des medizinischen Nachwuchses – das ist ein guter Dreiklang“, betonte Carsten Bokemeyer Sprecher des CCC-Netzwerks und Direktor des Tumorzentrums und der II. Medizinischen Klinik am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Allerdings: „Wir erleben leider eine Verlangsamung durch fehlende IT-Strukturen, fehlende interoperable Datensysteme und auch durch Datenschutzgesetze“, bedauerte er.
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