Ärzteschaft

Kritik an Schlichtungsbeschluss zu Hypoglykämien als Diabeteskomplikation

  • Dienstag, 2. Dezember 2025
/martenaba, stock.adobe.com
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Berlin – Hypoglykämien sollen nur dann als Komplikation des Diabetes mellitus gelten und entsprechend vergütet werden, wenn ein hypoglykämisches Koma vorliegt. Das hat der Schlichtungsausschusses nach Paragraph 19 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes bei seiner Sitzung im Oktober entschieden. Kritik kommt jetzt von der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG).

Die Fachgesellschaft sieht in der Entscheidung eine Abkehr von etablierten Klassifikationen und warnt vor einer Unterversorgung bei leichten und mittelschweren Hypoglykämien. „Die ICD-10-GM ordnet Hypoglykämien eindeutig als Komplikation des Diabetes zu – unabhängig davon, wie ausgeprägt sie sind. Seit 2023 gibt es sogar zusätzliche Kodes, die die Situation präzise beschreiben“, sagte Annette Ahollinger, Vorsitzende der DDG-Kommission „Kodierung & DRGs in der Diabetologie“.

Der Schlichtungsausschuss argumentiert hingegen, dass nicht jede Hypoglykämie behandlungsbedürftig sei und einen Mehraufwand verursache. Die DDG hält diese Sichtweise für nicht tragfähig.

„Die Entscheidung bedeutet im Kern: Erst wenn Menschen mit Diabetes mit dem sprichwörtlichen ‚Kopf unterm Arm‘ als potenziell lebensbedrohlicher Notfall in die Klinik kommen, gilt eine Unterzuckerung als relevante Komplikation. Das ist nicht nur zynisch gegenüber den Betroffenen. Diese Schlichtungsentscheidung kann auch zu deutlichen Fehlanreizen führen“, kritisierte Julia Szendrödi, Präsidentin der DDG.

Einrichtungen könnten durch diese Änderung unter Druck geraten, nur noch sehr ausgeprägte Unterzuckerungen abzubilden, da mildere und mittelschwere Hypoglykämien nicht mehr über die Hauptdiagnose oder den Schweregrad und die daraus resultierende höhere Fallpauschale vergütet würden.

„Werden Hypoglykämien ausschließlich im Zusammenhang mit einem Koma als Komplikation gewertet, riskiert man, dass frühe klinische Signale weniger Beachtung finden“, warnte auch Dominik Bergis, Chefarzt der Diabetes Klinik Bad Mergentheim.

Es sei aber wichtig, die Ursachen immer wiederkehrender Unterzuckerungen abzuklären und zu versorgen – im Zweifel durch eine medikamentöse Umstellung. „Der Aufwand ist dabei oft nicht unerheblich und muss in jedem Fall auch im ICD-System weiter abgebildet bleiben“, so Bergis.

Das Urteil stelle die Versorgung unvollständig dar und bildet den notwendigen medizinischen, pflegerischen und organisatorischen Aufwand für Diagnostik und Betreuung nicht ab, kritisierte er.

Die Fachgesellschaft weist daraufhin, dass der Bundesverband Klinischer Diabeteseinrichtungen (BVKD) rechtliche Schritte gegen die Entscheidung des Schlichtungsausschusses erwägt. Auch die DDG fordert eine zeitnahe Überprüfung und Korrektur der Entscheidung.

„Die etablierte Klassifikation, wonach jede Hypoglykämie eine Komplikation des Diabetes darstellt, ist medizinisch sinnvoll und sollte weiterhin auch in der Vergütungssystematik berücksichtigt werden“, hieß es aus der Fachgesellschaft.

hil

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