Ärzteschaft

Kritischer Diskurs über Positionierung des KBV-Vorstandes in Coronakrise

  • Freitag, 4. Dezember 2020
/Screenshot, DÄ
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Berlin – Im Rahmen der heutigen digitalen Vertreterversammlung (VV) der Kassenärztlichen Bundes­ver­einigung (KBV) ging Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der KBV, noch einmal auf das viel diskutierte Positionspapier zur Bewältigung der SARS-CoV-2-Pandemie ein, das die KBV gemeinsam mit weiteren Ex­perten im Oktober vorgelegt hatte.

„Es ging nie darum, irgendetwas zu verharmlosen oder gar zu ne­gie­ren. Wir wollten damit eine Diskus­si­on anstoßen, die aus unserer Sicht zu kurz kommt“, so Gassen. Um den „Tunnelblick“ zu erweitern, gelte es, praktische Erfahrungen aus der Versorgung zu nutzen, um im weiteren Verlauf besser mit der Corona­pandemie umgehen zu können.

Gassen betonte ausdrücklich, es sei richtig, die Infektionszahlen einzudämmen. Für die schwer Erkrank­ten könne es lebensgefährlich werden und bei sehr hohen Infiziertenzahlen bedeute auch die ver­gleichs­weise niedrige Prozentzahl von 1,5 Prozent Intensivpflichtigen absolut gesehen dann doch „sehr viele Betroffene“.

Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) /Screenshot DÄ
Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) /Screenshot DÄ

Zugleich wiederholte Gassen die Forderung nach einen Strategie­wechsel. Das heiße unter anderem den Schutz der vulnerablen Bevölkerungsgruppen gezielter und besser zu gestalten.

Gelinge es, diese zielgerichtet zu schützen, wäre auch die Gefahr einer Überlastung der Krankenhäuser „sehr viel geringer“. Der der­zeitige Lockdown sei dagegen „weitgehend wirkungslos“ und löse massive wirtschaftliche und soziale Schäden aus.

Ein langfristiges Konzept, wie man als Gesellschaft möglichst gut mit der Situation leben könne, forderte auch Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KBV. Es gehe dabei um eine realistische, medizinisch begründete Einschätzung von Chancen und Risiken – und um daraus abgeleitete Schritte.

KBV-Vize Stephan Hofmeister /Screenshot DÄ
KBV-Vize Stephan Hofmeister /Screenshot DÄ

KBV-Chef Gassen dankte allen Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) und Berufsverbänden für das „offene kollegiale Feedback“ zur Positionierung der KBV. Er hoffe, dass die damit begonnene Diskussion zielorientiert und unaufgeregt weiterzuführen sei.

„Wir möchten ausdrücklich alle ärztlichen und auch psychothe­ra­peutischen Kolleginnen und Kollegen weiter ermutigen, sich ein­zu­bringen. Wir brauchen diesen innerärztlichen Dialog und wir brauchen ärztliche Stimmen in der politischen und gesellschaftli­chen Debatte.“

In der an die Reden der KBV-Vorstände anschließenden Ausspra­che wurden erneut durchaus kritische Töne an der Positionierung der KBV laut. So erklärte die Vorsitzen­de der KV Thüringen, Annette Rommel, dass sie mit der Positionierung von KBV-Chef Gassen nicht ein­verstanden sei. „Es gibt unter den Vertragsärzten viele, die anders denken und das täglich anders erle­ben. Wir müssen für Vertrauen bei den Menschen werben.“

Auch VV-Mitglied Werner Baumgärtner warnte im Zusammenhang von COVID-19 vor Relativierungen. „Ich stehe jeden Tag in der Praxis und bekomme die Sorgen der Patientinnen und Patienten mit.“ Ärztli­che Standesvertreter müssten in ihrer Position auch die, möglicherweise unerwünschte, Außenwirkung ihrer Kritik an den getroffenen Eindämmungsmaßnahmen mitdenken.

Ähnlich auch Burkhard John, der als Vorstandsvorsitzender der KV Sachsen-Anhalt an seiner letzten KBV-VV teilnahm: „Das Papier ist nicht die Meinung der Vertragsärzte. Vieles in der Versorgung ist gut gere­gelt. Was nicht geregelt ist, wie es in den Heimen derzeit läuft.“

Peter Heinz von der KV Rheinland-Pfalz erklärte, Ärztevertreter in der Öffentlichkeit müssten sich „über­legen, was kommunizierbar ist aus unserer besonderen Position heraus“. Er betonte aber, dass es gut sei, in der öffentlichen KBV-VV hier in „verhaltener“ Wortwahl zu diskutieren.

bee/aha

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