Ärzteschaft

Künstliche Intelligenz: Was jungen Ärztinnen und Ärzten wichtig ist

  • Montag, 26. Mai 2025
/Gebhardt, Maybaum
/Gebhardt, Maybaum

Leipzig – Künstliche Intelligenz (KI) ist sowohl im Medizinstudium als auch in der ärztlichen Weiterbildung noch kaum im Einsatz. Im Gegensatz dazu setzt die nachwachsende Generation aber große Hoffnungen auf künftige KI-Anwendungen. Das berichteten heute Weiterzubildende sowie Medizinstudierende im Rahmen des Dialogforums mit jungen Ärztinnen und Ärzten im Vorfeld des diesjährigen Deutschen Ärztetages.

KI könne etwa als multilinguale Schreibkraft, Filter und Suchmaschine für aktuelles Wissen oder auch als besserer Überblick über Vitalparameter und zur Voraussage körperlicher Veränderungen fungieren, sagten sie in Gesprächen mit dem Deutschen Ärzteblatt. Dafür brauche es insbesondere standardisierte Daten, Schnittstellen und eine gute digitale Grundausstattung, lautete der Konsens der Diskussionsrunde.

Klara Münch /Kurz
Klara Münch /Kurz

Klara Münch (28), Ärztin in Weiterbildung Allgemeinmedizin in einer Hausarztpraxis in Mücke (Hessen): „Wir nutzen in unserer Arztpraxis noch kaum KI, obwohl wir ein recht junges Team sind. Ich habe aber in der letzten Zeit einige KI-Tools, darunter ChatGPT getestet und verschiedene medizinische Fragen gestellt. Je nach Modell gibt es große Unterschiede bei der Qualität der Antworten. Da sich die Medizin sehr schnell weiterentwickelt, wird KI künftig eine wichtige Rolle spielen. Die hinzugewonnenen neuen Informationen wird man vermutlich kaum filtern können. Deshalb hoffe ich, dass KI hierbei und auch beim Finden von aktuellem medizinischen Wissen helfen kann.“

Nele Gladbach /Kurz
Nele Gladbach /Kurz

Nele Gladbach (32), Ärztin in Weiterbildung Pädiatrie im Klinikum Bremen-Mitte: „Ich arbeite gerade ein Jahr in der Kinderarztpraxis, sonst bin ich aber in der Kinderklinik. An beiden Stationen wird noch kaum KI verwendet. Ich denke, dass KI für das Schreiben von Arztbriefen zunehmend genutzt wird. Das wäre sehr praktisch, weil die KI uns Ärztinnen und Ärzten sehr viel Arbeit abnehmen würde. Für einzelne Krankheitsbilder verfasse ich bislang einzelne Textbausteine, die ich dann für die Arztbriefe nutze. Wenn die KI diese vorschlagen würde, wäre das sehr hilfreich. Zudem wäre es super, wenn die KI an wichtige diagnostische Schritte erinnert und Ergebnisse in die entsprechenden Programme einpflegen könnte.“

Karim Elshenawy /Kurz
Karim Elshenawy /Kurz

Karim Elshenawy, Arzt in Weiterbildung Neurochirurgie, Uniklinik Bochum: „In der Klinik nutzen wir noch wenig KI. Ich nutze KI aber schon jetzt vor allem zum Lernen. So kann man KI zum Nachschlagen von Studien sehr gut nutzen. Meine Hoffnung auf KI liegt in dem Verfassen von Epikrisen und Arztbriefen. Zudem könnte KI ärztliche Entscheidungen auf leitliniengerechte Therapien und Behandlungen überprüfen aber auch mit anderen Patientendaten vergleichen. Wenn diese Überprüfung von der Ärztin oder dem Arzt erneut gegengecheckt wird, hätte man eine Art doppelte Kontrolle. Das würde einen sehr guten Schutz für Patientinnen und Patienten bieten.“

Sarah Hermle /Richter-Kuhlmann
Sarah Hermle /Richter-Kuhlmann

Sarah Hermle (37), Ärztin in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Hausarztpraxis in Freiburg: „Bisher nutze ich KI noch nicht im großen Stil, sondern lediglich zum Nachschlagen, beispielsweise Perplexity. Meine Hoffnung ist jedoch, dass ich in den kommenden Jahren die vielen Patienteninformationen, die es dann über die ePA geben wird, gut durch eine KI zusammenfassen lassen kann. Zudem hoffe ich künftig in der Sprechstunde sowie auch bei Hausbesuchen auf ein schnelles Nachschauen von Fakten, die auch mit Quellen belegt sind.“ 

Simon Ney /Richter-Kuhlmann
Simon Ney /Richter-Kuhlmann

Simon Ney (34), Arzt in Weiterbildung Innere Medizin, Ortenau-Klinikum Offenburg: „Bisher nutze ich KI nur sehr wenig – eigentlich viel zu wenig und auch mehr oder weniger nur privat. Unser Computersystem in der Klinik ist nicht KI-geeignet. Das heißt, wir haben keine entsprechenden Schnittstellen. Für einzelne Literaturrecherchen greife ich privat zu einer KI, jedoch ohne Daten von Patientinnen und Patienten preiszugeben. Dadurch lässt sich natürlich auch nur jeweils eine Einzelfrage beantworten. Für eine hohe Qualität wäre ja eine vollständige Dateneingabe nötig. Deshalb hoffe ich, dass in der Zukunft mehr Augenmerk auf die Nutzung der Patientendaten gerichtet wird. Leider können noch viele Kliniken die digital vorhandenen Daten mangels Schnittstellen nicht kombinieren. Ich denke jedoch, dass KI künftig ein guter Hinweisgeber sein könnte, beispielsweise bei verschiedenen Differenzialdiagnosen. Einen großen Benefit sehe ich auch bei der Datenverarbeitung, beispielsweise beim Schreiben von Arztbriefen und zusammenfassenden Beurteilungen.“

Lilly Reik /Richter-Kuhlmann
Lilly Reik /Richter-Kuhlmann

Lilly Reik (28), Ärztin in Weiterbildung Innere Medizin/Angiologie, LMU München: „Derzeit nutze ich KI hauptsächlich in der Forschung, beispielsweise für Zusammenfassungen. In der ärztlichen Praxis hoffe ich, dass ich bald mit KI Arztbriefe schreiben kann, in die alle Befunde automatisiert eingehen. Schön wäre auch der schnelle Zugriff auf alle Leitlinien und Publikationen durch ein Sprachmodell, das nur auf verifizierten Daten basiert. Das Ziel sollte dabei eine europäische Lösung sein, sodass Daten datenschutzkonform hochgeladen und genutzt werden können.“

Andrej Weissenberger /Richter-Kuhlmann
Andrej Weissenberger /Richter-Kuhlmann

Andrej Weissenberger (31), Arzt in Weiterbildung Pädiatrie, Städtisches Klinikum Solingen: „Die heute angesprochenen Möglichkeiten, die KI bietet, motivieren mich sehr. Momentan sind aber viele für mich noch nutzlos, weil es bereits an kleinen Dingen scheitert. Ich arbeite in einem kleineren Haus und erst seit letztem Jahr haben wir eine digitale Patientendokumentation. KI zu nutzen, wäre jetzt noch unmöglich, da es keine Schnittstellen gibt. Derzeit nutze ich ChatGPT stichpunktartig, um zumindest Vorlagen für Arztbriefe zu generieren. Gerade in der Pädiatrie müssen nämlich aufgrund der kurzen Liegedauer große Mengen an Briefen geschrieben werden. Wenn KI nicht genutzt wird, ist es eigentlich verschwendete Zeit, die in der Patientenversorgung dringend gebraucht wird. Mein Wunsch für die Zukunft ist es daher, zügig Schnittstellen und Interoperabilität zu schaffen und dabei auch die kleineren Häuser nicht zu vergessen.“

Gerrik Verhees /Schwenke
Gerrik Verhees /Schwenke

Gerrik Verhees (32), Arzt in Weiterbildung Psychiatrie, Universitätsklinikum Dresden: „Ich nutze mein eigenes ChatGPT-Konto jeden Tag mehrfach – insbesondere für meine wissenschaftliche Tätigkeit. Für meine ärztliche Tätigkeit benutze ich es noch nicht, beziehungsweise nur sehr eingeschränkt, wegen der regulatorischen Bedenken. Die gesetzlichen Richtlinien sind da relativ klar. Als zweite Meinung sind viele der großen Sprachmodelle jedoch schon sehr gut. Für seltenere Diagnose kann man beispielsweise eine Symptomkonstellation beschreiben, ohne persönliche Details bekannt zu geben – das würde ich Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung, die noch nicht so viel Erfahrung haben, auch sehr empfehlen. Es kann die eigene Diagnostik deutlich beschleunigen und bereichern und auch gute Anregungen geben, die natürlich durch den Arzt oder die Ärztin geprüft werden müssen. Auch viele meiner Patientinnen und Patienten greifen inzwischen auf KI zurück und holen sich Ratschläge zur mentalen Gesundheit ein. Chatbots stehen zu jeder Zeit zur Verfügung und können in vielen Fällen guten und strukturierten Rat geben – in seltenen Fällen aber natürlich auch katastrophal daneben liegen. Die Risiken, die es hier gibt, müssen abgewogen werden gegen den großen Nutzen, den KI mit sich bringt. Die Fälle sind noch nicht von Regulationen abgedeckt, es existiert keine Risikokontrolle. Dies muss ins Gleichgewicht gebracht werden, daran arbeite ich auch in meiner Forschung. Insgesamt glaube ich, dass KI unsere Arbeit in den nächsten fünf bis zehn Jahren stark verändern wird.“

Clara Braun /Schwenke
Clara Braun /Schwenke

Clara Braun (38), Fachärztin für Innere Medizin und Ärztin in Weiterbildung Anästhesiologie, Klinikum Saarbrücken: „Ich nutze KI noch gar nicht, auch nicht im beruflichen Bereich. Aber KI hat viel Potenzial sowohl für die Ärztinnen und Ärzte als auch für die Patientinnen und Patienten. Sie könnte zum Beispiel dabei helfen, nicht zu viele ärztliche Ressourcen zu verschwenden: Einmal in der Dokumentation, aber auch in der Arzt-Patienten-Beziehung. Wenn wir lernen, mit KI-Tools umzugehen, könnten wir uns darauf zurückbesinnen, wofür wir eigentlich da sind: Für das Zwischenmenschliche und Empathische. Wir sitzen so viel am Computer und haben wenig Zeit am Patienten. Wenn der Computer ohne uns arbeiten würde, wäre das für alle Beteiligten gut. Das Problem ist, dass wir gerade erst dabei sind, uns digital aufzustellen. Wir haben momentan nicht mal überall Computer in der Klinik und machen noch viel mit Zettel und Stift. Wenn wir jetzt erst in die digitale Welt einsteigen und die gleich KI dazukommt, frage ich mich ein bisschen, wie das gelingen kann. Ein weiteres Thema ist die Finanzierung: Wer bezahlt die Produkte, wenn der Gesundheitsbereich ohnehin schon chronisch unterfinanziert ist? KI bietet daneben natürlich auch große Chancen für die Weiterbildung. Wenn sie bei bestimmten Symptomen und Werten Vorschläge machen würde, müssten sich Weiterzubildende seltener an den zuständigen Oberarzt wenden – das gilt zum Beispiel auch für Nachtdienste, wenn man sich mal unsicher ist. Wir könnten mit KI auch Zeit einsparen, die wir für die echte Weiterbildung gewinnen könnten: Wenn der Oberarzt weniger dokumentieren müsste, hätte er mehr Zeit für seine Weiterzubildenden.“

Christoph Blechschmitt /Schwenke
Christoph Blechschmitt /Schwenke

Christoph Blechschmitt (46), Arzt in Weiterbildung Unfallchirurgie und Orthopädie, Diakonieklinikum Neunkirchen: „KI wird bei uns noch gar nicht genutzt – zumindest nicht offiziell. Ich erlebe im Alltag, dass nicht-deutschsprachige Kollegen KI sehr oft benutzen, insbesondere zur Dokumentation in der Notaufnahme, wenn es schnell gehen muss. Hier bin ich der Meinung, dass das kanalisiert werden sollte, denn ein Bedarf ist offensichtlich da. Die Kliniken sollten entsprechende Strukturen dafür schaffen. Außerdem kann man mit KI hervorragend gut und viel effizienter dokumentieren. Man kann Zeit einsparen und gerade auch in der Entscheidungsunterstützung eine weitere Stimme hinzuziehen. Auch ein Assistent im ersten oder zweiten Weiterbildungsjahr ist wahrscheinlich sehr dankbar, wenn er eine KI fragen kann – die meiner Meinung nach eine bessere Antwort liefern wird als Google. Man wird kein Studium damit ersetzen können, aber wenn man dadurch die Qualität steigern kann, dann sollte man dieses Mittel auch einsetzen. Es hilft nicht sich vor der Technik zu verwehren – das ist keine Alternative. Wenn wir uns damit jetzt nicht beschäftigen, dann tun es nur die Industrie und der amerikanische Raum. Die Angst davor bringt uns Deutsche nicht weiter. Wir müssen uns aktiv damit beschäftigen und uns dann auch damit abfinden, dass es zu Beginn vielleicht noch nicht alle Normen geschaffen wurden. Das ist durchaus wichtig, aber wir können nicht damit warten. Man muss jetzt anfangen, sich mit der Technik auseinanderzusetzen.“

Elisabeth Kuckuck /Schwenke
Elisabeth Kuckuck /Schwenke

Elisabeth Kuckuck (31), Ärztin in Weiterbildung Pädiatrie, Klinikum Bremen-Mitte: „In meiner Weiterbildung in der Pädiatrie wird KI bisher eher wenig verwendet. Wir nutzen viel Transkriptionen, Spracherkennungen, aber darüber hinaus wird es schwierig, gerade mit den Regulatorien, den sensiblen Patientendaten oder Aufzeichnungen, die nebenbei laufen müssten.“

Amalia Sluha /Kurz
Amalia Sluha /Kurz

Amalia Sluha (22), Medizinstudentin an der Medizinischen Hochschule Hannover: „KI in der Medizin ist leider kein Thema bei uns im Studium. Im Rahmen meiner Doktorarbeit setze ich KI zur Unterstützung der Edukation von Patientinnen und Patienten mit Herzschwäche und implantiertem Defibrillator ein. Im Studium müssten zügig Kompetenzen zum Umgang mit KI gelehrt werden, etwa dass man von der KI vorgeschlagene Texte nicht einfach akzeptiert, sondern überprüfen muss und wie man mit Patientendaten und KI datenschutzkonform umgeht. Für den ärztlichen Beruf wünsche ich mir, dass es eine bessere Patientenaufklärung gibt, die auf einer guten Grundlage basiert. Es gibt schon viele KI-Lösungen, die im ärztlichen Alltag genutzt werden können, aber es fehlt oft noch an der technischen Grundausstattung, wie etwa flächendeckendes WLAN.“

Constanze Satthoff /Schwenke
Constanze Satthoff /Schwenke

Constanze Satthoff (36), Ärztin in Weiterbildung Anästhesie, Klinikum Bremen Nord: „Bei uns ist KI im ärztlichen Alltag bisher weniger vertreten. Sie wird schon eher auf der Intensivstation angewandt, wo ich in meinem zweiten Weiterbildungsjahr hinrotiere. In einigen Bereichen unterstützt KI schon länger: Bei der EKG-Auswertung werden zum Beispiel schon jetzt Verdachtsdiagnosen beziehungsweise Hinweise darauf angezeigt. Auch für Arztbriefe spricht man schon alles ein und lässt es transkribieren – aber im OP selbst bisher eher weniger.“

Alexandra Archodoulakis /Kurz
Alexandra Archodoulakis /Kurz

Alexandra Archodoulakis (26), Ärztin in Weiterbildung Allgemein- und Viszeralchirurgie an der Charité Berlin: „In der Patientenversorgung ist KI noch nicht angekommen. Hier fehlt es oft noch an grundlegender digitaler Infrastruktur. Eine Arztbrief-KI wäre eine enorme Erleichterung. Dadurch hätte ich mehr Zeit, um mich auf die Patientinnen und Patienten zu fokussieren. Eine flächendeckende Einführung von KI-Lösungen darf aber nicht an der jeweiligen Finanzsituation der Klinik oder Praxis hängen. Es braucht Refinanzierungen oder Subventionen, so dass die Nutzung überall möglich wird.“

ER/cmk/nfs

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