KV Nordrhein setzt sich Agenda mit „Teilzielen“
Düsseldorf – Der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO) hat in einer zweitägigen Klausur zusammen mit den Mitgliedern des Hauptausschusses und den Vorsitzenden der beratenden Fachausschüsse eine Agenda für die Zukunft entwickelt. „Wir haben uns Teilziele gestellt“, betonte der neue Vorstandsvorsitzende Frank Bergmann.
An erster Stelle stehe dabei die Sicherstellung der ambulanten Versorgung. Das heiße „große Anstrengungen zu unternehmen“, sagte er. Die demografische Entwicklung mache sich nicht nur bei den Patienten bemerkbar, sondern auch bei den Ärzten. Und das wirke sich schon jetzt auf die Hausärzte aus. Zurzeit seien etwa 100 Hausarztstellen unbesetzt. „In einigen Regionen ist die Versorgung von Pflegeheimen durch die Hausärzte nicht mehr sichergestellt“, verdeutlichte der KV-Chef das Problem. Der Ärztemangel werde zeitlich versetzt auch die grundversorgenden Fachärzte treffen.
Kassen wollen für Honorarkonvergenz mehr ärztliche Leistungen
„Gleichzeitig nimmt die Zahl der angestellten Ärzte zu“, stellte Bergmann fest. Sie hätten eine andere Vorstellung vom ärztlichen Beruf und wollten nicht mehr 60 oder 70 Stunden in der Woche arbeiten, sondern auch für die Familie da sein. „Das alles geht mit einem größeren Personalbedarf einher. Wir brauchen mehr Ärzte und Psychotherapeuten.“ Die Krankenhäuser hätten inzwischen ein vergleichbares Problem und erwiesen sich daher nicht nur als „Staubsauger“ für Weiterbildungsassistenten, sondern auch für Fachärzte, um ihren Facharztstandard halten zu können.
Der Konkurrenzdruck erhöhe sich durch „die MVZs, die auch Ärzte aufsaugen“. Daher müssten bei der Sicherstellung der ambulanten Versorgung Vorstand, Hausärzte, Fachärzte und Psychotherapeuten an einem Strang ziehen. „Und das geht auch nur, wenn wir auskömmliche Honorare erwirtschaften“, machte Bergmann klar. Daher sei ein weiteres Ziel der Vorstandsarbeit, die Honorarsituation zu verbessern. Das gelte auch für die geplanten regionalen Verhandlungen mit den Krankenkassen zur Honorarkonvergenz. Die Kassen hätten bereits verlauten lassen, dass sie Geld für die Angleichung bereitstellen wollen, wenn die Ärzte im Gegenzug zusätzliche Leistungen erbringen. „Das sehen wir anders. Denn es geht hier um Geld, dass uns seit 2009 fehlt“, betonte Bergmann. „Wir sind im zweistelligen Prozentbereich untervergütet.“
Lenkungsgremium soll Eckpunkte für Notdienst erarbeiten
Zum Sicherstellungsauftrag gehört für den neuen Vorstand der KNVO auch ein Neustart bei der Weiterentwicklung des ambulanten Notdienstes. Dazu soll ein Lenkungsgremium gegründet werden, dem fünf Mitarbeiter der Geschäftsführung der KVNO, zwei Vertreter der Gesundheitsmanagementgesellschaft mbH (GMG) und acht Vertreter aus allen Gruppen der VV angehören, die bei der Sitzung der VV am vergangenen Freitag bereits gewählt wurden. Das Gremium soll Eckpunkte entwickeln und dabei die Finanzierung des Notdienstes, die personellen Ressourcen und die Dienstbelastung der Ärzte in den Blick nehmen. Außerdem sollend die Bezirks- und Kreisstellen in das Konzept eingebunden werden.
„Wir wollen nicht wie in der letzten Legislatur mit einem Rund-um-Paket hier rausgehen, sondern wir wollen Leitplanken setzen, die draußen in den Bezirks- und Kreisstellen was möglich machen“, erläuterte Frank Bergmann das geplante Vorgehen. Schließlich solle das Notdienstkonzept vor Ort umgesetzt werden können. „Parallel zur Entwicklung in Nordrhein arbeiten Dr. Bergmann und ich in der AG Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Bundesvereinigung mit, wo Ideen und Ansätze verschiedener KVen diskutiert werden“, berichtete Carsten König, Stellvertreter Vorsitzender der KVNO. Auch auf Ebene des Landes NRW werde das Thema Notdienst an einem „Runden Tisch“ gemeinsam mit der Politik und Vertretern der Kliniken sowie der Krankenkassen konstruktiv diskutiert.
Sektorenübergreifendes, integratives Notdienstkonzept angestrebt
Breite Mehrheit fand ein Antrag in der VV, indem sich die Delegierten bereits auf wesentliche Bestandteile der künftigen Notdienststruktur festlegen. Demnach strebt die VV ein sektorenübergreifendes, integratives Notdienstkonzept an, das die Notfallversorgung durch niedergelassene Vertragsärzte und Krankenhäuser einschließt und an der auch die Leitstellen des Rettungsdienstes beteiligt sind. Außerdem soll die Notfallversorgung eigenständig finanziert sein. „Wenn man den Notdienst weiterentwickelt, muss man auch die Finanzierung weiterentwickeln“, forderte Frank Bergmann. Bei der Zusammenarbeit mit Kliniken sollen sektorenübergreifende „Triagierungssysteme“ nach internationalem Vorbild eingeführt werden. Darüber hinaus erkennt die VV an, dass ein flächendeckender kinderärztlicher Notdienst nötig ist.
Geriatrische Institutsambulanzen nicht für Regelversorgung
Hinsichtlich der Versorgung geriatrischer Patienten sieht Carsten König die Tendenz, dass immer mehr geriatrische Institutsambulanzen die Versorgung übernehmen wollten. Bisher habe es in Nordrhein zehn Anträge von diesen Ambulanzen auf Ermächtigung gegeben, eine sei von der KVNO genehmigt worden. Die Versorgung durch die Ambulanzen sei nicht nötig, denn „Hausärzte und Fachärzte können das“, betonte König, der Hausarzt ist.
Geriatrie sei Teil der Regelversorgung. Zusätzliche Anforderungen an die Qualifikation bei der geriatrischen Versorgung dürften keine neuen Hürden schaffen. Das habe der Vorstand bereits im Februar der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) mitgeteilt. „Das war eine Idee der geriatrischen Kliniken, die Institutsambulanzen einzuführen“, ergänzte Frank Bergmann. Die Versorgung weg von den Hausärzten hin zu den Ambulanzen zu organisieren, „das geht völlig am Bedarf vorbei“.
KV-Vorstand besorgt über neue Entwicklungen in der Versorgung
Ähnlich wie die Ärztekammer Nordrhein (ÄKNO) ist auch die KVNO besorgt über neue Entwicklungen in der ambulanten Versorgung. Dabei kaufen Konzerne und Kapitalgesellschaften, vor allem aus Luxemburg und den USA Arztsitze in der Nephrologie und der Radiologie auf. „Das ist ein ständig wachsendes Problem, dass hier mit viel Geld, das an der Stelle jedenfalls vorhanden ist und dafür verwendet werden kann, das die Vertragsärzte aber nicht unendlich nach oben haben, einfach Sitz um Sitz gekauft wird“, erläuterte Frank Bergmann. Damit werde das originäre Vertragsgeschehen zunehmend erodiert.
„Der Sitzt geht einfach weg, ohne das niederlassungswillige Ärzte eine Chance gehabt hätten, sich überhaupt um diesen Sitz zu bewerben“, ergänzte König. Der Vorstand der KVNO fordert daher, diese Entwicklung vom Umfang oder vom Status her zu begrenzen, um ein unendliches Wachstum zu stoppen. Dazu sei allerdings eine Gesetzesänderung durch den Bund nötig. „Da muss überlegt werden, ob man die MVZ-Idee für den vertragsärztlichen Bereich durchaus belassen und noch attraktiver machen kann“, sagte der KV-Chef. Auf der anderen Seite müsse man verhindern, dass die Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) ein Mittel werden, um Konzernstrukturen immer weiter auszubauen. „Das überführt ja die ambulante Versorgung auch in eine Konzernstruktur“, prognostizierte Bergmann.
Gesetzesänderung auf Bundesebene gefordert
Außerdem könnten die MVZ viel flexibler in der Aufteilung und Besetzung von Sitzen umgehen, als es eine Praxis können. „Das wieder versetzt dann das MVZ in einen Vorteil gegenüber Praxen, was zum Beispiel Arzneimittel- und Heilmittelprüfungen und Regresse angeht, weil einfach die Eins-zu-Eins-Zuordnung wie beim Vertragsarzt an der Stelle wesentlich schwieriger ist“, so Bergmann. Seiner Ansicht nach ist auch die Arbeitsverdichtung in MVZ deutlich geringer als in Inhaber geführten Praxen. Das sei ein bundesweites Problem. In Thüringen zum Beispiel sei mehr als die Hälfte der Neurologen in MVZ tätig.
Da in diesen MVZ der einzelne Arzt geringere Fallzahlen als in vergleichbaren Praxen betreue, senke das den Fachgruppendurchschnitt zum Nachteil der niedergelassenen Kollegen. „Das war eine einzige Katastrophe. Da haben sich mal eben die Fallwerte halbiert“, weiß der Vorstandsvorsitzende. Die Werte seien um mehr als 20 Euro nach unten gegangen. Damit seien die verbliebenen Vertragsärzte nicht mehr überlebensfähig gewesen.
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