Länder wollen regionale Experimentierräume bei der Digitalisierung

Leipzig – Die Bundesländer verlangen bei der Gestaltung der Digitalisierung im Gesundheitswesen mehr Mitspracherecht. Auf der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) in Leipzig forderten sie vor allem „wesentlich mehr Beteiligung an Entscheidungen“ bei den Auswirkungen, die die geplanten Regelungen im aktuell vorgelegten Gesetzentwurf zur besseren Versorgung durch Digitalisierung und Innovation (DVG) vorsehen.
Die Länder begrüßen zwar, dass mit dem Gesetz „ein wichtiger Baustein“ für den digitalen Wandel erarbeitet wurde. Doch zur Länderbeteiligung „gibt es derzeit keinerlei Regelung im Gesetzentwurf.“ Speziell wollen die Länder „regionale Experimentierräume“ bekommen und zwar dort, „wo bundesweite Vergütungs- und Verfahrensregelungen weitestgehend fehlen.“
Dies geht aus einem Beschluss hervor, der auf der diesjährigen GMK als Leitantrag des Vorsitzlandes Sachsen einstimmig beschlossen wurde. „Es ist mir wichtig, dass wir das Potenzial digitaler Lösungen nutzen, um die medizinische Versorgung flächendeckend sicherzustellen und zu verbessern“, erklärte die diesjährige Vorsitzende, Barbara Klepsch (CDU), bei einer Pressekonferenz.
Länder wollen bei regionalen Projekten koordinieren
Die Länderminister selbst sehen sich in einer „koordinierenden Rolle“, wenn Krankenkassen, Leistungserbringer und weitere Akteure des Gesundheitswesens mit Bürgern „innovative, besonders auf regionale Bedarfe zugeschnittene und digital unterstützte Versorgungs- und Unterstützungsangebote erproben und entwickeln.“
Bei der Koordination der Projekte wollen die Länder besonders auf die Krankenkassen einwirken können, unter denen „ein Konsens“ für regionale Projekte entstehen soll. Die Länder fordern dabei mehr Diversität bei den Projekten „Eine einheitliche Lösung wird es nicht geben. Städtische Regionen brauchen andere Strukturen als ländliche Räume“, so Klepsch weiter.
Eine weitere „Experimentierklausel“ in den Sozialgesetzbüchern wollen die Länder auch bei der Abrechnung von digitalen Versorgungsleistungen. Dazu zählen beispielsweise die Erprobung innovativer Versorgungsformen sowie -methoden. Die Koordinierung dieser Projekte soll nach Wunsch der Länderminister ebenfalls in ihrer Hand liegen. Um die länderspezifischen Projekte bundesweit sichtbar zu machen sowie möglicherweise in die Regelversorgung zu übernehmen, sollen „geeignete Strukturen geschaffen werden, die eine bundesweite Transparenz“ schaffen und damit auch die Akzeptanz für Digitalisierung in der Bevölkerung stärken.
Denn die Länderminister sehen großen Nachholbedarf beim Wissen in der Bevölkerung zu den Vorteilen der Digitalisierung. „Vorbehalte in der Gesamtbevölkerung sind ernst zu nehmen“. Und weiter: „Die GMK sieht jedoch mit großer Sorge, dass selbst die maßgeblichen Akteure noch viele Hemmnisse in der Akzeptanz und Anwendung der Digitalisierung abbauen werden müssen.“ Die Länder fordern daher für Bevölkerung und Experten einen schnelle „adäquaten Nutzennachweis“ sowie Informationen über die „Abwägung von Chancen und Risiken.“
Auch Beispiele für digitale Projekte nennen die Landesminister: Sie wollen die telemedizinische Unterstützung bei der Betreuung von Menschen mit eingeschränkter Mobilität, für Menschen in Pflegeheimen oder der Pflege zu Hause. Auch sehen die Länder Potenzial in der telemedizinischen Betreuung von Menschen mit chronischen und psychischen Erkrankungen, dazu zählt auch die telemedizinische Unterstützung durch eine speziell ausgebildete Nichtärztliche Praxisassistenz (NäPa). Bei Diagnostik und Nachsorge sowie der Videovisite sollen Projekte entwickelt werden können.
Alle Leistungserbringer an die Telematikinfrastruktur angeschließen
Bereits in den vergangenen Jahren hatten die Ländergesundheitsminister immer wieder gefordert, dass alle Leistungserbringer an die Telematikinfrastruktur angeschlossen werden, speziell die Pflege wird in diesem Jahr im Beschluss genannt. Damit die Digitalprojekte funktionieren, fordern sie ihre Innenministerkollegen auf, „zeitnah und flächendeckend den Breitbandausbau“ voranzutreiben.
In einem weiteren Beschluss mahnten die Länderminister eine Diskussion um die Nutzung von Daten von Gesundheitsapps und Wearables an. „Es fehlen Regelungen, zu welchem Zweck diese Daten genutzt werden können und wer diese Daten nutzen darf.“
Qualitätssigel für digitale Anwendungen
Damit Bürgern wie Leistungserbringern der Nutzen der Anwendungen deutlich wird, wird die Bundesregierung aufgefordert, zu prüfen, ob ein Qualitätssigel für digitale Anwendungen sinnvoll ist. Dabei soll auch geprüft werden, ob Apps und Wearables als Medizinprodukt bewertet werden sollen.
„Dieser Bereich wird vom vorliegenden Referentenentwurf des DVG nicht erfasst“, so die Länder. Die Datennutzung soll ausschließlich erst nach Einwilligung der Nutzer erfolgen. Ein besonderes Auge wollen die Länder dabei auf die Krankenkassen haben: So dürfe die Software der Datenerhebung, -verarbeitung und -spreicherung „nicht zu negativen Auswirkungen auf die Versicherten führen.“ Dies gelte besonders bei möglichen Tarifmodellen und beim Nichtnutzen der Apps. Das Bundesgesundheitsministerium soll per Gesetz für Rechtssicherheit sorgen.
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