Landgericht Hamburg spricht Urteil gegen Sterbehilfe-Arzt
Hamburg – Im Prozess um Suizidbeihilfe für zwei über 80-jährige Frauen vor dem Landgericht Hamburg wird nach Angaben eines Gerichtssprechers für morgen ein Urteil erwartet (Az.: 619KLs7/16). Angeklagt ist der Mediziner und Psychiater Johann Friedrich S. (75), für den die Staatsanwaltschaft wegen Totschlag und unterlassener Hilfeleistung eine siebenjährige Haftstrafe gefordert hatte. Sein Verteidiger hatte unterdessen auf Freispruch plädiert.
Der Angeklagte hatte als psychiatrischer Mitarbeiter für den Verein „Sterbehilfe Deutschland“ gearbeitet, der vom früheren Hamburger Justizsenator Roger Kusch gegründet worden war. Im Mittelpunkt des Verfahrens steht der Suizid von zwei 81 und 85 Jahre alten Frauen, die am 10. November 2012 in Anwesenheit des Arztes eine Überdosis eines verschreibungspflichtigen Medikaments genommen hatten und gestorben waren. Zuvor hatten sie 2.000 Euro an „Sterbehilfe Deutschland“ gezahlt. Kusch soll den Frauen das Malariamedikament Chloroquin beschafft haben; eine Anklage gegen ihn hatte das Gericht nicht zugelassen.
Dem Mediziner S. wirft die Staatsanwaltschaft vor, die Tatherrschaft über die Selbsttötung gehabt und die Frauen in einem psychologischen Gutachten einseitig in Richtung Suizid beraten zu haben. So habe er die Frauen nicht angemessen über Alternativen aufgeklärt. Die beiden Seniorinnen seien nicht schwerstkrank, sondern lediglich lebenssatt gewesen. Außerdem hätte der Angeklagte nach dem Eintritt der Bewusstlosigkeit der Frauen sofort die Rettungskräfte verständigen müssen.
Der Verein „Sterbehilfe Deutschland“ und sein Vorsitzender Roger Kusch polarisieren schon seit Jahren. Die Organisation hat nach eigenen Angaben seit ihrer Gründung im Jahr 2010 zahlreiche Patienten gegen eine bezahlte Mitgliedschaft bei der Selbsttötung begleitet. Ende 2015 verabschiedete der Bundestag ein Gesetz, das organisierte Formen der Suizidbeihilfe verbietet. Seitdem hat „Sterbehilfe Deutschland“ nach eigenen Angaben keine Beihilfe zur Selbsttötung mehr geleistet. Allerdings haben der Verein und mehrere seiner Mitglieder Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das Gesetz erhoben.
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