Lauterbach erwartet bessere Prävention durch Aufklärung nach Cannabisfreigabe

Berlin – Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erwartet durch die kontrollierte Freigabe von Cannabis als Genussmittel neue Möglichkeiten zur Suchthilfe und -prävention sowie der gesellschaftlichen Aufklärung zum Umgang mit Cannabis. Das erklärte er gestern bei einer Diskussionsrunde des Bundesgesundheitsministeriums (BMG).
„Im Laufe des nächsten Jahres“ werde der Freizeitkonsum von Cannabis legal werden, hatte er erklärt. Bisher war von einem Inkrafttreten des Gesetzes um die Jahreswende ausgegangen worden, die für den morgigen Freitag angesetzte erste Lesung des Gesetzentwurfs war aber aufgrund der weltpolitischen Lage kurzfristig auf die kommende Woche verschoben worden. Von weiteren Verzögerungen sei jedoch nicht auszugehen, hieß es.
Lauterbach hatte seine Pläne gegenüber Suchttherapieexperten sowie Vertretern von Lehrer- und Elternschaft verteidigt. Er erklärte, sein Ansatz sei, einen vernünftigen Mittelweg zu finden, der einen sicheren Konsum ermögliche, ohne dabei zu einer gesellschaftlichen Glorifizierung des Cannabiskonsums zu führen.
Unter anderem wies er Kritik an der Ausgestaltung des Konzepts der Anbauvereinigungen zurück. Anders als in Coffeeshops, wie sie in den Niederlanden üblich seien, sollten sie als reine Abgabestellen für das von den Mitgliedern angebaute Cannabis dienen. Der Konsum in den Räumlichkeiten solle verboten bleiben. „Das ist wenig sexy, aber es funktioniert“, betonte er.
Kein holländisches Modell
„Was wir nicht wollten, war ein holländisches Modell“, erklärte Lauterbach. „Die holländische Legalisierung verbindet das Schlechteste aus beiden Welten und ist gescheitert.“ Die kommerzielle Ausrichtung des dortigen Cannabismarkts habe zu einer Reihe von Problemen wie Drogentourismus und einer faktischen Stärkung illegaler Strukturen geführt, die es in Deutschland zu vermeiden gelte.
Stattdessen solle es den Menschen, die ohnehin Cannabis konsumierten, ermöglicht werden, auf Sicherheit und Qualität zu achten. Gleichzeitig sollten sie durch vermehrte Hilfsangebote angeregt werden, ihren eigenen Konsum zu reflektieren. „Wir zielen auf den Korridor der Vernunft“, sagte Lauterbach.
Er sei überzeugt, dass die kontrollierte Freigabe eine offenere gesellschaftliche Debatte und einen verantwortungsvolleren Umgang als bisher ermöglichen werde. „Wenn es aus der Tabuzone herauskommt, schadet die Diskussion dem Produkt“, zeigte er sich überzeugt. „Wenn das Gesetz zwei Jahre in Kraft ist, weiß wirklich jeder über die Gefahren Bescheid.“
Eva Hoch, wissenschaftliche Leiterin des Instituts für Therapieforschung, unterstützte diese Annahmen. Mit Blick auf die Erfahrungen aus Staaten wie Kanada oder die US-Bundesstaaten, die den Freizeitkonsum von Cannabis legalisiert haben, sei zwar zu erwarten, dass es zu einem leichten Anstieg des Konsums bei Erwachsenen kommt, sagte sie. Bei Jugendlichen und Kindern sei auf Basis der vorliegenden Daten jedoch nicht davon auszugehen.
In den vergangenen Jahren habe die Zahl der Hilfesuchenden stark zugenommen, Cannabis sei mittlerweile die größte Substanzgruppe unter den hilfesuchenden Abhängigen, hatte Andreas Gantner betont, der die Berliner Suchthilfeeinrichtung Therapieladen leitet.
Kein durchdachtes Gesetz
„Das hat uns gezeigt, dass die Prohibition nicht dazu beigetragen hat, dass weniger Schäden entstehen. Es muss sich nun zeigen, ob weitere Schäden hinzukommen, und da kommt es darauf an, wie wir die Freigabe regulieren“, erklärte er. „Das wird die große Herausforderung sein.“
Genau dabei gebe es aber noch große Defizite, erwiderte der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Sebastian Düll: „Ich mache mir schlichtweg Sorgen und ich habe nicht das Gefühl, dass das ein durchdachtes Gesetz ist, bei dem man sich zuerst Gedanken macht, wie man die Jugendlichen erreicht, und dann die Freigabe angeht.“
Aufklärung und Prävention würden zu einem großen Teil auf den Schultern der Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen lasten, dabei hätten die weder die personellen noch die finanziellen Kapazitäten dafür. „Wenn wir glauben, dass wir durch eine Freigabe bessere Prävention gewährleisten können, habe ich große Zweifel“, unterstrich er.
Lauterbach betonte demgegenüber, dass der Bundeshaushalt bereits finanzielle Mittel für neue Präventionsangebote beinhalte, fertige Konzepte aber noch nicht ausgearbeitet werden könnten, solange das Gesetz nicht verabschiedet wurde.
Denn die Länder müssten dazu einen großen Teil beitragen, obwohl sich einige von ihnen – allen voran Bayern – bisher gegen die Freigabe stemmten. „Wenn die Länder dieses Gesetz noch in Teilen ablehnen, kann ich mich mit diesen Ländern nicht hinsetzen und schon Präventionskonzepte machen zu einem Gesetz, das sie nicht wollen“, erklärte er.
Die Erfahrung zeige aber, dass die Länder, wenn Gesetz erst einmal verabschiedet ist, trotz ihrer vorherigen Ablehnung konstruktiv mitarbeiten würden: „Wenn dann die Würfel gefallen sind, raufen sich Bund und Länder auch zusammen und setzen das gemeinsam um. Dann haben wir auch gute Präventionskonzepte.“
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