Medizin

Long COVID: Kurze Telomere in Typ-2-Pneumozyten könnten Lungenfibrose fördern

  • Montag, 19. Juni 2023
SARS-CoV-2-infizierte Typ-2-Pneumozyten. /Juan Gärtner, stock.adobe.com
SARS-CoV-2-infizierte Typ-2-Pneumozyten. /Juan Gärtner, stock.adobe.com

Madrid – Die Entwicklung einer interstitiellen Lungenfibrose, die als mögliche Ursache von Long COVID diskutiert wird, könnte durch kurze Telomere in den Typ-2-Pneumozyten begünstigt werden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie in Aging-US (2023; DOI: 10.18632/aging.204755), die auf einen möglichen künftigen Therapieansatz hinweist.

Bei einer Infektion zerstört SARS-CoV-2 in den Alveolen in erster Linie die flachen Typ-1-Pneumozyten, über die der Gasaustausch mit den darunter liegenden Venolen erfolgt. Aber auch die Typ-2-Pneumozyten können beschädigt werden. Diese Zellen bilden das Surfactant, das einen Kollaps der Alveolen verhindert. Die Typ-2-Pneumozyten fungieren außerdem als Stammzellen, aus denen sich – beispielsweise nach COVID-19 – die Typ-1-Pneumozyten regenerieren.

Ein Mangel an Typ-2-Pneumozyten kann zu dauerhaften Lungenschäden, etwa zur interstitiellen Lungenfibrose führen. Da sich die Typ-2-Pneumozyten häufiger teilen, sind sie anfällig für eine Verkürzung der Telomere, die die Kappen der Chromosomen schützen. Ab einer gewissen Verkürzung der Telomere verliert eine Zelle die Fähigkeit zur Zellteilung, was bei den Typ-2-Pneumozyten gravierende Folgen haben könnte. Frühere Studien hatten gezeigt, dass dysfunktionale Telomere in Typ-2-Pneumozyten bei Mäusen eine Lungenfibrose auslösen können. Ein ähnlicher Zusammenhang wurde auch beim Menschen beobachtet.

Ein Team um Maria Blasco vom spanischen Krebsforschungszentrum CNIO hat die Telomerlänge in Typ-2-Pneumozyten bei 98 Patienten untersucht, bei denen im Rahmen einer Lungenkrebsdiagnostik Biopsien entnommen wurden. Darunter waren 19 Patienten, die zuvor an COVID-19 erkrankt waren. Die Untersuchungen wurden im gesunden Gewebe vorgenommen.

Auffällig war, dass 11 der 19 Patienten nach COVID-19 fibrotische Veränderungen aufwiesen gegenüber nur 15 von 64 Patienten ohne COVID-19, ein 3-facher Unterschied in der Häufigkeit.

Die Analyse der Biopsien ergab auch, dass die Patienten mit COVID-19 weniger Typ-2-Pneumozyten in den Alveolen hatten und dass dieser Mangel mit einer Verkürzung der Telomere in den verbliebenen Zellen assoziiert war.

Die Verkürzung der Telomere im Alter könnte laut Blasco erklären, warum COVID-19 bei älteren Patienten häufiger einen schweren Verlauf nimmt. Diese Patienten könnten auch ein erhöhtes Risiko auf die Entwicklung einer Lungenfibrose und damit von Long COVID haben.

Wenn die Zusammenhänge zutreffen, dann könnten sogenannte Telomeraseaktivierungstherapien Patienten nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 vor Long COVID schützen. Diese Wirkstoffe versuchen, die Aktivität des Enzyms Telomerase zu verstärken, das in den Zellen die Telomere verlängert. Einen zugelassenen Telomeraseaktivator gibt es allerdings noch nicht. Mehrere Wirkstoffe befinden sich in präklinischen Tests. Da die Telomerase auch bei vielen Krebserkrankungen vermehrt aktiv ist, könnte es Sicherheitsrisiken geben.

rme

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