Long COVID: Virusgene nach über zwei Jahren in Darmbiopsie gefunden

San Francisco – Sind die anhaltenden Symptome, über die einige Patienten nach einer überstandenen akuten Erkrankung an COVID-19 klagen, auf eine Persistenz von SARS-CoV-2 im Körper zurückzuführen? US-Forscher untermauen ihre Hypothese in Lancet Infectious Diseases (2024; DOI: 10.1016/S1473-3099(24)00211-1) durch den Nachweis von Virusantigenen im Blut bis zu 14 Monate nach der Infektion.
In Science Translational Medicine (2024; DOI: 10.1126/scitranslmed.adk3295) berichten sie, dass Darmbiopsien nach bis zu zweieinhalb Jahren noch Virus-RNA enthielten. Die Forscher hatten die Stelle mit der Positronen-Emissions-Tomografie (PET) aufgespürt mit einem Tracer für T-Zellen, die Viren angreifen.
Das Labor von Timothy Henrich an der Universität von Kalifornien in San Francisco ist auf das Aufspüren der Reservoire von HI-Viren spezialisiert, die sich dort dem Zugriff der Medikamente entziehen. Seit dem Beginn der Pandemie suchen die Forscher auch nach möglichen Reservoiren von SARS-CoV-2 im Körper.
Diese könnten erklären, warum einige Patienten sich nach der akuten Erkrankung nicht vollständig erholen und über Monate bis Jahre unter einem post-akuten COVID-19-Syndrom (PASC) leiden, das auch als Long COVID bezeichnet wird.
Auf der Fachtagung CROI 2024 („Conference on Retroviruses and Opportunistic Infections“) im März hatten Michael Peluso und Mitarbeiter ihre jüngsten Erkenntnisse vorgestellt, die inzwischen in den beiden Journalen publiziert wurden.
Die Forscher begleiten eine Reihe von Patienten seit ihrer akuten Erkrankung an COVID-19. Den Teilnehmern werden regelmäßig Blutproben entnommen, in denen die Forscher nach Spuren einer anhaltenden Infektion suchen. Sie verwenden dazu einen hochempfindlichen Test, der auch zu 2 % bei Menschen positiv ausfiel, die nicht mit SARS-CoV-2 infiziert sein konnten, weil die Blutproben vor der Pandemie entnommen worden waren.
Unter den 171 Patienten mit PASC war die Prävalenz mit 5,0 % jedoch deutlich höher. Die Prävalenz – im Vergleich zur Kontrollgruppe – ging von 10,6 % nach drei bis sechs Monaten auf 8,7 % nach 6 bis 10 Monaten und 5,4 % nach 10 bis 14 Monaten zurück – und sie korrelierte mit dem Schweregrad der Symptome: Patienten, die wegen COVID im Krankenhaus behandelt worden waren, hatten doppelt so häufig Virus-Antigene im Blut (relative Prävalenzrate 1,97; 95-%-Konfidenzintervall 1,11 bis 3,48).
Die Studie beweist streng genommen nicht, dass die Patienten anhaltend mit SARS-CoV-2 infiziert sind. Dazu hätten die Forscher erfolgreich Versuchstiere mit dem Blut der Patienten infizieren müssen.
Es stellt sich aber die Frage, woher die Virusantigene kommen. Die Forscher haben hierzu bei 24 Teilnehmern mehrfach eine Positronen-Emissions-Tomografie (PET) durchgeführt. Als Tracer verwendeten sie F-AraG (Fluor-18-markiertes Arabinofuranosylguanin). Es bindet an aktivierten CD8- und CD4-T-Lymphozyten. Diese Zellen sind für den Angriff auf Virus-infizierte Zellen zuständig.
Auf den PET-Aufnahmen sind die Stellen des Körpers zu erkennen, an denen das Immunsystem mit der Abwehr eines Gegners beschäftigt ist. Die Signale wurden bis zu 2,5 Jahre nach der akuten Infektion gefunden und scheinen wie der Antigen-Nachweis im Blut mit der Zeit zurückzugehen. Bei Patienten, die über anhaltende Atemwegssymptomen klagten, wurden Peluso zufolge die stärksten PET-Signale in den Lungen gefunden. Betroffen waren aber auch das Rückenmark und der Darm.
Fünf Patienten waren zu einer Darmbiopsie bereit. Bei allen 5 Patienten fanden die Forscher Virus-RNA für die Bildung der Spike-Proteine in den Zellen. Ob diese Virus-Gene tatsächlich genutzt werden, um neue Viren herzustellen, ist unklar.
Ein Beweis könnte durch Therapiestudien erbracht werden. Die kalifornischen Forscher haben in der Studie outSMART-LC begonnen, Patienten mit PASC auf eine Behandlung mit dem Antikörper AER002 (Hersteller Aerium Therapeutics) und Placebo zu randomisieren. Erste Ergebnisse könnten im nächsten Jahr vorliegen.
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